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Corona und Schule Eltern in Sorge im Landkreis Wittenberg

Die Testpflicht in Schulen ab Montag verursacht erhebliche Aufregung. Von schlechter Vorbereitung ist die Rede und von Verletzungsgefahr bei Kindern.

09.04.2021, 20:58

Wittenberg - Die Empörung ist immens, in Elternchats, bei Elternvertretungen. Es geht um die Testpflicht, die das Kultusministerium verordnet hat. Von „Körperverletzung am Kind“ ist jetzt in einzelnen Reaktionen von Eltern die Rede oder es heißt, die Kinder hätten Angst vor dem Test in der Schule. Eltern wollen wissen, was passiert, wenn der Test positiv ist.

Zwei Tests pro Woche

Das Ministerium will, dass sich Schüler zweimal wöchentlich verbindlich testen lassen: „Entweder über einen in der Schule zur Verfügung gestellten Laien-Selbsttest oder durch den Nachweis eines anderweitig erzielten negativen Testergebnisses oder durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, wonach keine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht.“ Die verbindliche Testung gilt für alle Schulformen, auch für Grundschulen.

Tobias Ulbrich, Vorsitzender des Wittenberger Stadtelternrates und Vater dreier Kinder, lässt nicht viel Gutes an der Verordnung. Die sei „beschissen vorbereitet“. Die Voraussetzungen seien nicht gegeben, weder „rechtlich noch fachlich“. Es werde in Grundrechte eingegriffen, auch seien gar nicht genügend Tests vorhanden. Er berichtet von Verletzungen in der Nase, die bei den bisher freiwilligen Tests vorgekommen seien. „Die Kinder müssen das ja alleine machen.“

Stäbchen in der Nase

Eine Variante, um das zu verhindern, seien so genannte Lolli-Tests, bei denen der Abstrich in der Mundschleimhaut erfolgt. Nur hätten Schulen kaum welche. Verwendet werden laut Landkreis überwiegend solche, bei denen ein Stäbchen in die Nase geschoben werden muss - allerdings nur etwa zwei Zentimeter tief.

Ulbrich weist überdies auf die mangelnde Zuverlässigkeit der Schnelltests hin. Wenn aber bei einem Kind der Test ein positives Ergebnis liefere, werde das womöglich „abgestempelt“. Und am Ende, das sei bereits passiert, stelle sich heraus, dass es sich um keine Corona-Infektion handele.

Der Elternratsvorsitzende informiert zudem über eine Online-Petition, die Mitte der Woche gestartet worden ist - Stand Freitagvormittag haben bereits 2.250 Menschen unterschrieben. Ulbrich: „Es brennt. Mein Telefon steht nicht mehr still. Eltern sind besorgt und verärgert.“

Bei den Schulen scheinen bislang nur vereinzelte Eltern Bedenken wegen der Tests angemeldet zu haben. Als damals das Thema freiwillige Tests aufgekommen war, habe es einige gegeben, die dies für ihr Kind rundherum abgelehnt hätten, sagt der Schulleiter des Paul-Gerhardt-Gymnasiums, Roland Franke. „Bislang kamen die Schüler trotzdem zum Präsenzunterricht. Das wird dann aber ab Montag nicht mehr gehen“, sagte er. „Wer dann keinen Test vorweisen kann, muss wieder nach Hause gehen.“ So stehe es im Schreiben des Bildungsministeriums an die Schulen, das am Donnerstagnachmittag eingegangen sei. Die Testpflicht gelte auch für alle Lehrer und sonstiges Personal, das sich im Schulgebäude aufhalte. „Wir müssen einfach sehen, wie sich die Situation am Montagmorgen entwickelt“, sagt Franke. Von einer „Handvoll Anrufe“ seitdem das Vorhaben Testpflicht bekannt geworden ist, berichtet die Leiterin des Wittenberger Luther-Melanchthon-Gymnasiums, Anja Aichinger. „In der Sphäre der Freiwilligkeit gab es höchstens Kritik daran, dass nicht genügend Tests da waren“, sagt sie. Jetzt gebe es vermehrt kritische Stimmen aus der Elternschaft gegen die Pflicht.

„Ich verstehe es immer, wenn sich Eltern um das Wohl ihrer Kinder sorgen“, sagt sie. Allerdings seien die bisherigen Tests - auch bei den jüngsten Schülern in den fünften Klassen problemlos abgelaufen. „Ich war selbst dabei. Die Kinder waren absolut ruhig, für die war das völlig in Ordnung. Es gab keine Aufruhr, keine Angst vor den Stäbchen“, so die Schulleiterin. Die Lehrer hätten die Schüler mit entsprechenden Materialien auf die Testungen vorbereitet, der Test selbst sei hinterher „eine Kleinigkeit“ gewesen.

Chance für die Schule

Für die Testpflicht spricht sich unterdessen Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) aus. „Ich befürworte das.“ Er könne die Sorgen der Eltern nachvollziehen, allerdings seien die Corona-Tests die Chance, „mittelfristig den Schulbetrieb“ aufrecht zu erhalten: „Nur so ist das möglich.“ Dannenberg macht darauf aufmerksam, dass es für Kinder bislang keine Impfungen gibt. Der Landrat appelliert an die Eltern, ihrer Verantwortung nachzukommen - etwa wenn, was auch möglich sein soll, Testkits mit nach Hause gegeben werden, um dort im Beisein der Eltern angewendet zu werden.

Was die Lieferung der Tests für die Schulen betrifft, räumt Vizelandrat Jörg Hartmann (CDU) ein, dass das „teilweise schwer zu planen ist“. Es sei öfter passiert, dass angekündigte Lieferungen „nicht immer zeitnah“ erfolgten. Auch am Freitag wartete der Landkreis noch auf die Tests für die kommende Woche. Hartmann vorsichtig: „Die angekündigte Lieferung soll absichern, dass jedes Schulkind tatsächlich zwei Mal getestet werden kann.“ (mz/Julius Jasper Topp und Marcel Duclaud)