Eine Geige zu Kaffee und Kuchen
Wittenberg/MZ. - Es ist jetzt genau ein Jahr her, da hat Jörg Dahms für seinen Freund Thomas Höhne von der Wittenberger Hofkapelle eine Gambe gebaut. Dabei war ihm der Zufall zu Hilfe geeilt, schließlich gibt es kaum noch brauchbare Anleitungen für die Herstellung dieses Instrumentes, dessen Entwicklung zurückreicht bis ins 15. Jahrhundert. Der Zufall hieß Robert Foster. Und Foster, in London zu Hause, kannte einen, der Dahms kennt. So gelangten die Baupläne von der Themse an die Elbe. Toll.
Dieser Tage steht der Instrumentenbauer, ein freundlicher Zeitgenosse, der gern und viel lacht, in seinem Laden in Wittenberg und blättert in einem Katalog nach Kinderrasseln. Auch so etwas wird um diese (Vorweihnachts-)Zeit angefragt. Wer von den Normalsterblichen kann schon Gambe spielen, noch dazu wenn er, wie der Adressat der Rassel, dem Babyalter erst noch entwachsen will?
Dahms, der aus dem Norddeutschen stammt, ist seit 1993 in Wittenberg. Er hat seitdem manches erlebt, was dem Geschäft eines Instrumentenbauers nicht direkt zuträglich ist. Die Schließung des Mitteldeutschen Landestheaters war so eine Sache, denn damit ging ja ein ganzes Orchester auch als potentielle Kundschaft, salopp gesagt, flöten. Auf der anderen Seite hat Dahms sich immer gedreht. Und sich neben dem Nachbau alter Instrumente (derzeit entstehen zwei weitere Gamben) zunehmend aufs Reparieren und Restaurieren verlegt. Mit der Preisgestaltung für neue Instrumente, wie sie etwa im Internet (Dahms: "Eine echte Konkurrenz") zu finden ist, kann er sowieso nicht mithalten.
In letzter Zeit sind es neben Klavieren, die ihm zur Aufarbeitung überlassen werden (man kann ihn auch als Klavierstimmer anheuern), vor allem Geigen, die er reparieren soll. "Weil offenbar die Leute kurz vor Weihnachten feststellen, dass der Bogen keine Haare hat." Man kann darin etwas Positives sehen, dass nämlich offenbar doch mehr Hausmusik gemacht wird, als gemeinhin angenommen. Und man kann es sehen wie Jörg Dahms, der lacht: "Es zeigt auch, dass die Leute lange nicht geübt haben." Sonst wären ihnen fehlende Saiten nicht erst kurz vor Toresschluss aufgefallen. Als brillante Idee erwies sich das von seiner Lebensgefährtin geführte "Marc de Café", das Dahms in einem Gebäude auf seinem Hof eingerichtet hat. Nicht nur, weil es ein schönes Café ist, in dem man sich neben Kuchen auch an Kultur delektieren kann. Es kam auch schon vor, dass ein Gast seine Geige mitbrachte. Und während der Besucher im Café kleine Gaumenfreuden genoss, reparierte Dahms in der Werkstatt nebenan das Instrument. Synergieeffekte, so nennt man das auf Neuhochdeutsch.
Was die Rassel-Kundin betrifft: Sie hat dann doch keine gekauft, sich aber von Dahms erklären lassen, wie man für ganz kleines Geld und mit minimalem Materialaufwand selbst was bauen kann. Dazu lädt er übrigens ausdrücklich ein und bietet sich als Lehrer an: Eltern, die vor Weihnachten etwa ein Orff' sches Instrument für ihre Kinder bauen wollen, könnten das gern bei ihm machen. Einzige Voraussetzung: "Dass es genügend Leute sind, es muss sich für mich schon lohnen." Auf die Frage, warum es gut sei, dem Nachwuchs überhaupt ein Instrument zu schenken, antwortet Jörg Dahms ohne zu zögern: "Kinder, die lernen, Musik von Hand zu machen, haben es im Leben leichter." Zwar sind sie nicht zwangsläufig intelligenter als andere (puh, sehr erleichternd), "aber sie denken schneller und sind kreativer".
Jörg Dahms; Historische Musikinstrumente, Saiteninstrumente und Zubehör. Kontakt unter Tel. 0 34 91 / 40 40 11.