1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Eine der ersten Priesterehen wurde in Kemberg geschlossen

Revolutionäre Hochzeit Eine der ersten Priesterehen wurde in Kemberg geschlossen

Eine der ersten Priesterehen, die auf Luthers Bestreben möglich wurden, ist in Kemberg geschlossen worden. Womöglich viel früher, als bislang angenommen.

Von Karina Blüthgen Aktualisiert: 12.10.2021, 10:21
Direkt  am historischen Rathaus von Kemberg  ist die Aufschrift zu sehen, die an Bartholomäus Bernhardi erinnert.
Direkt am historischen Rathaus von Kemberg ist die Aufschrift zu sehen, die an Bartholomäus Bernhardi erinnert. Foto: Thomas Klitzsch

Kemberg/MZ - Es ist ein besonderes Jubiläum, das es 2021 in Kemberg zu feiern gilt, auch wenn die Corona-Pandemie der Durchführung einer Festwoche entgegenstand. Denn eine der ersten Priesterehen, die vor 500 Jahren geschlossen wurde, fand hier statt. Bartholomäus Bernhardi, seinerzeit Vikar an der Kemberger Kirche, ehelichte eine gewisse Gertraud, darüber sind sich die Geschichtsforscher zumindest ziemlich einig.

Hochzeitstag ist strittig

Nur wann genau diese Ehe geschlossen wurde, darüber gibt es in Ermangelung des überlieferten Tages einige Differenzen. Während etliche Forscher das Datum auf dem 24. August - dem Bartholomäustag - sehen, hat der Kemberger Günter Böhme eigene Forschungen in den Archivalien aus jener Zeit betrieben und ist zu einem anderen Ergebnis gekommen. Er benennt das Frühjahr 1521 als Zeit der Eheschließung Bernhardis und hat dies jüngst in einem Vortrag in Kemberg auch detailliert erläutert.

Der 24. August geht zurück auf einen späteren Amtskollegen von Bernhardi, den Superintendenten Johann Heinrich Feustking, der von 1702 bis 1706 in Kemberg war. In einer Gedächtnis-Predigt 1704, also etwa 180 Jahre nach dem Ereignis, postulierte dieser den Bartholomäustag als Hochzeitstag, allerdings ohne jegliche Belege. „Bisher sind alle dieser Quelle gefolgt“, sagt Günter Böhme, der sich damit nicht zufrieden geben wollte.

Böhme, Betreuer des historischen Stadtarchivs in Kemberg, zog als erste Quelle einen Brief Luthers heran, den dieser am 26. Mai 1521 von der Wartburg an Philipp Melanchthon schrieb und in dem er sich über die Eheschließung Bernhardis äußerte. „Also muss er zuvor von Melanchthon eine Information über die Hochzeit erhalten haben“, so Böhme. Luther war am 2. April jenes Jahres zum Reichstag nach Worms aufgebrochen. Offenbar hatte im Zeitraum April bis Mai die Hochzeit stattgefunden. Andere Priester, die im ersten Halbjahr 1521 in den Stand der Ehe getreten waren, wurden zum Teil inhaftiert.

„Auch der zuständige Bischof Albrecht von Brandenburg hatte sich nach Bekanntwerden an den staatlichen Vorgesetzten, also den Kurfürsten, mit der Bitte um Inhaftierung gewandt“, erläutert Günter Böhme die Vorgehensweise. Kurfürst Friedrich der Weise kam dem jedoch nicht nach. Er habe wie bei der „Entführung“ Luthers gehandelt, findet Böhme. Er, Friedrich, entscheide in seinem Land - nicht der Bischof.

Trauung einst weltlich

Auch der Aufforderung zur Auslieferung kam Friedrich nicht nach. Unter Luthers Anhängern entstand vielmehr eine Rechtfertigungsschrift zu der Eheschließung, die in Latein und Deutsch verfasst wurde (hauptsächlich wohl von Melanchthon und Karlstadt) und sowohl an den Bischof als auch zur Universität Wittenberg zur Prüfung gesandt wurde. „Es ist eine Verteidigungsschrift in Ich-Form, gedruckt vor dem 18. Juli 1521. Was bedeutet, dass im Frühjahr tatsächlich eine Hochzeit gewesen ist“, so der Schluss von Böhme.

Interessant ist auch die Form der Eheschließung, Bernhardi selbst schreibt, er habe geheiratet „auf der Straß und in der Kirch … nach gemeinem Brauch“. Zu diesem alten Brauch zitiert Günter Böhme das Calwer Kirchenlexikon. Dieses erläutert, dass seit dem 11. Jahrhundert die Trauung in Gegenwart des Geistlichen vor der Kirche vorgenommen wurde, erst dann erfolgte der Kirchgang. Die Trauung habe noch als rein weltliches und nicht in der Kirche vorzunehmendes Geschäft gegolten. Das änderte sich erst im Laufe des 16. Jahrhunderts.

Günter Böhme sieht seine Rekonstruktion der Ereignisse in der jetzigen Quellenlage als richtig. Er betrachte die bisherige Literatur zu Bernhardis Hochzeit in diesem Punkt als überholt, zumal sich alle auf Feustking beziehen, der sein Datum ohne Beleg festgesetzt hat.

„Viele haben sich im Zeitraum Mai bis August 1521 mit dem Fall intensiv befasst. Das wäre nicht so, wenn es nicht bereits im Frühjahr eine Hochzeit gegeben hätte“, ist er sicher.

Zum Nachlesen hat Günter Böhme die zusammengetragenen Fakten in Nr. 28 der Kemberger „Heimatgeschichtlichen Mitteilungen“ noch einmal zusammengefasst. Der Titel lautet „1521 - 2021: 500 Jahre Priesterhochzeit, 500 Jahre evangelisches Pfarrhaus.“Das Heft ist zum Selbstkostenpreis beim Autor erhältlich. Telefon (034921) 20641.