Drachenfest auf den Wittenberger Elbwiesen Drachenfest auf den Wittenberger Elbwiesen: Dem Himmel entgegen

WITTENBERG/MZ - Hier auf den Elbwiesen kann man die übrige Welt vergessen. Der Besucher steht und schaut auf das Tanzen bunter Stoffteile am grauen Himmel, die, gelenkt von einigen Leinen, schwerelos dahinschweben, dann zum Sturzflug in Richtung Boden ansetzen und doch durch den geschickten Zug passend zur Musik sich mühelos wieder in die Lüfte erheben. Das Wittenberger Drachenfest ist ein sinnliches Erlebnis, das dem, der sich darauf einlässt, Entspannung pur bereitet.
Sport auch für Erwachsene
„Ich muss sagen, ich bin fasziniert. Vor allem weil hier so viele Erwachsene sind. Ich dachte, Drachensteigen ist etwas für Kinder.“ Mit sichtlich wachsender Begeisterung schaut Michaela Bonk aus Elster dem Limbo-Wettkampf zu. Ein Dutzend der Drachenflieger versucht dabei, den Drachen in ein Tor hinein und wieder heraus zu steuern, ohne dass dieser den Boden berührt. Und wie beim Limbo-Tanz wird die Oberkante des Tores, in dem Fall ein rot-weißes Flatterband, immer weiter abgesenkt.
Während die Wettkämpfe eher etwas für erfahrene Drachenflieger sind, die zum Zuschauen einladen, bleibt genug Raum für Anfänger und Fortgeschrittene, darunter viele Kinder. Rikes Drachen bleibt jedoch lange am Boden. „Er war mal ganz oben, dann aber wieder unten“, sagt die Achtjährige aus Wittenberg. „Wir haben von den Experten gehört, dass er für seine Größe zu schwer ist“, erklärt ihr Großvater Walter Schönfelder. Er hat sich als Helfer beim Rokkaku gemeldet und sorgt mit anderen für den gleichzeitigen Start der acht „Kampfdrachen“. Ziel des aus Japan stammenden Wettbewerbs ist es, die gegnerischen Drachen zum Boden zu bringen und den eigenen in der Luft zu behalten. Was nach wenigen Minuten für einen kniffligen Knoten der Leinen sorgt, den die Beteiligten mit Engelsgeduld entwirren.
Drachenfliegen ist mehr, als nur einen Drachen in die Luft zu bekommen. So wie es viele unterschiedliche Drachen gibt, messen die Profis in vielen Wettbewerben ihr Können auf den Plätzen. Der sechseckige Rokkaku-Kampfdrachen etwa kommt ursprünglich aus Japan. Der Einleiner wird mit einer Hanfschnur geflogen und gesteuert. Ziel ist es, die Leine gegnerischer Drachen zu durchtrennen oder sie so zu verheddern, dass der Drachen zu Boden geht. Beim Trick out wird zu Musik geflogen, die Choreografie wird bewertet. Das Drachenlimbo verlangt ebenfalls einiges Können. Der Drache wird dabei in ein Tor hinein und wieder hinaus geflogen. Anfangs vier Meter hoch, verringert sich die Torhöhe bis auf einen Meter - und das bei der Drachenhöhe von 60 Zentimetern.
Organisiert wird das Wittenberger Drachenfest vom Verein „Ready to Fly“. Er ist die Abteilung „Drachenflugsport“ im SV Leibnizdruck Gräfenhainichen. Neben dem Fest gibt es Workshops, Showauftritte und mehr.
Beim Rokkaku behauptet sich Lilly Nelkenbrecher ganz ordentlich. Die 14-Jährige vom Verein der „Burgenlandkiter“ ist nicht zum ersten Mal in Wittenberg. „Was Spaß macht? Die verschiedenen Drachen zu sehen, die Wettbewerbe und natürlich das Nachtfliegen“, erzählt sie. „Man kennt hier fast alle auf dem Platz.“ In den Drachenflugsport ist sie von Kind an hineingewachsen. Selbst gebaut hat sie zwar noch keinen, aber Lilly hat eine ganze Reihe eigener Drachen und schon bei einer Reihe Workshops mitgemacht.
Mit seinem Drachen, der auch so aussieht, steht Kevin aus Düben auf der Wiese. Einen ganzen Tag hat sich Familie Barthel Zeit genommen. Mutter Janet schaut immer wieder zu den vielen Drachen hinüber, die am Himmel stehen und weithin ins flache Land Werbung für das Fest machen. „Ich kriege sie gar nicht alle zusammen auf ein Foto drauf“, bedauert sie.
Tipps von Experten
Auch Janet Barthel freut sich, dass die Experten Tipps geben, wie man den Drachen am besten zum Fliegen bekommt. „Wir haben es auch schon zu Hause versucht und sind übers Feld gerannt“, verrät sie. Die Drachenflieger, die aus vielen Gegenden Deutschlands angereist sind, kennen das. „Viele sind enttäuscht, wenn sie einen Billigflieger kaufen, der dann nicht oben bleibt“, sagt ein 60-jähriger Berliner, der seinen Namen nicht nennen will. Dabei müsse es nicht unbedingt ein Drachen für 200 Euro sein.
„Man kann den Kindern für 45 bis 60 Euro einen guten Drachen kaufen, der fliegt und auch crash-resistent ist.“ Er selbst frönt dem Hobby seit 20 Jahren und packt morgens, bevor er zur Arbeit fährt, bei günstiger Windprognose schon die Drachen in den Kofferraum. In diesem Jahr ist er das zweite Mal das ganze Wochenende da, vorher war er schon mal Tagesgast. „Was Uwe Klimke und der Verein hier leisten, ist großartig“, findet er. Für Organisator Klimke und seinen Verein „Ready to Fly“ ist es ein gelungenes Wochenende, trotz des Nieselregens. „Das Wetter war letztlich besser als die Vorhersage“, resümiert er.


