Diskussion Diskussion : Großes Interesse an Vortrag zum Islam in Wittenberg

Wittenberg - Das Interesse ist groß im alten Wittenberger Rathaus. Das brisante Thema „Der Islam in Wittenberg“ - etwas, was die Gesellschaft spaltet, was viele Fragen aufwirft, soll diskutiert werden. Der Salam-Verein, der sich als „Brückenbauer“ zwischen dem abendländischen und arabischen Kulturkreis in Wittenberg vor einem Jahr gründete, hatte zu dem Gesprächsforum eingeladen. Ihm gehören neben Syrern und Ägyptern auch einige Wittenberger an.
Referent von Uni Marburg spricht in Wittenberg
Fachkundige Referenten wie Assem Hefny (Uni Marburg) und Dina El Omari versuchten Fragen wie „Ist die Scharia eine weltliche oder göttliche Ordnung?“ oder die nach der „Rolle der Frau im Islam“ zu beantworten. Sehr akademisch wurde der Koran „zerpflückt“. Einzelne Suren daraus wurden interpretiert, was oftmals Kopfschütteln unter den Besuchern hervorrief.
Sehr streitbar ist etwa die Aussage, dass die Frau dem Mann untertan sei und dieser sie sogar schlagen dürfe. Die Theologin Omari, die sich auch als Frauenrechtlerin versteht, sieht daher großen Nachholbedarf, um das antiquierte islamische Frauenbild zu korrigieren. Selbst ein Kopftuch tragend meint sie dazu: Dies sei eine Form der Demut gegenüber Gott.
Die Scharia verglich Hefny mit der deutschen Verfassung, ebenfalls von Menschen geschaffen. Das Grundgesetz und dessen Kernaussage „Alle Menschen sind gleich“ gilt Hefny zufolge auch für die Scharia. Warum gibt es aber Steinigungen und körperliche Züchtigungen in einigen arabischen Ländern? „Dies hänge mit der unterschiedlichen Auslegung der Scharia zusammen“, versuchte Hefny zu erklären.
Zweieinhalb Stunden Informationen zum Islam füllten einige Wissenslücken im Publikum. Die beiden Moderatoren des Abends, Reinhild Hugenroth (Grüne) und Olaf Kurzhals (SPD), waren am Ende selbst überrascht über einen derartigen Zulauf. Bei soviel Brisanz stand die Frage: Wird es gelingen, eine sachliche Diskussion zu führen? Allen Skeptikern zum Trotz: Dies kann mit einem deutlichen „Ja“ beantwortet werden.
Sitzplätze waren nahezu ausgebucht. Stadträte aller Fraktionen zeigten Flagge, aber auch interessierte Bürger, die etwas über eine der drei monotheistischen Weltreligionen erfahren wollten. „Immerhin gibt es derzeit im Landkreis Wittenberg 1279 Asylbewerber mit meist islamischen Wurzeln“, informierte Kurzhals und appellierte zugleich, diese in das gesellschaftliche Leben einzubeziehen.
Wie dies mit einfachen Mitteln zu erreichen sei, dazu zitierte Bürgermeister Jochen Kirchner den Schweizer Schriftsteller Max Frisch. „Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir vernehmen und erreichen.“
Für Ägypter ist Region Wittenberg Heimat
Für die Ägypter Taalat Awadallah und Mahmoud Haikal (73) ist diese Heimat längst Wittenberg geworden. Letzter lebt und arbeitet seit 1971 in Wittenberg als Ingenieur im Mühlenbau.
Sie fungieren als Vorsitzender und Stellvertreter von „Salam“, was frei übersetzt Frieden bedeutet. Sie haben in der Lutherstadt ihre Freunde gefunden. Hier werden die islamischen Feste gefeiert. Als ein Ersatzgebetsraum werden Räumlichkeiten in der Phönix-Theaterwelt genutzt.
In seinem Plädoyer bezeichnet Awadallah Wittenberg als eine offene Stadt, die es auch künftig bleiben soll. Sehr emotional auch seine Worte: „Integriert Euch, lernt Deutsch. Vergesst nie, dass Deutschland für Euch die Grenzen geöffnet hat, als andere Länder Grenzbarrieren errichteten.“
„Eine tolle Initiative“, lobte Waldemar Hötte vom Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik den Verein und dessen Veranstaltungen. Ex-Oberbürgermeister Eckhard Naumann wagte sogar einen Vergleich mit Luther: „Ich habe das Gefühl, dass der Islam hier in der Stadt der Reformation auch gerade eine Reform erlebt. So wie Luther alte Denkstrukturen aufgebrochen hat, so geschieht das gegenwärtig mit dem Islam“, lobt er am Ende die Veranstaltung und die Referenten, die dieses Kompliment mit einem freundlichen Lächeln quittieren. (mz)