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Der neunte König trägt nun stolz die Knochenkette

Von ULF ROSTALSKY 16.11.2009, 19:03

GRÄFENHAINICHEN/MZ. - Gespür fürs deftige Wintergemüse darf jetzt Friedhelm Bellin beweisen. Der Rottaer Unternehmer ist der neue und damit neunte Grünkohlkönig und kann sich mit der Trophäe eines jeden Regenten in der Heide schmücken. Ein Rinderkieferknochen zeigt an, dass er sich in einer illustren Runde befindet, in der gern und gerade im Spätherbst oft über Sinn und Unsinn mancher Tat mit dem Grünkohl sinniert wird.

Gezupft oder geleiert, mit oder ohne einem Hauch von Frost: Friedhelm Bellin möchte seinen Mann stehen im neuen Amt. Obwohl das ohne seine Frau nicht zu schaffen wäre. Rezepte rund um das zumindest in Gräfenhainichen königliche Gemüse kann er noch nicht präsentieren. Muss er auch nicht. Denn Regie am Topf wird auch im kommenden Jahr der Koch des Restaurants "Hollywood" führen. Was freilich nicht heißen muss, dass die neue Majestät gar nichts beizusteuern hat. Spätestens beim Probeessen ist seine Meinung gefragt.

Das weiß auch Bellins Vorgängerin Jana Göpel, die zweite Amazone im Königsamt. Die Unternehmerin aus Gräfenhainichen hätte manche Sache auf dem privaten Teller sicher ein wenig anders gemacht. "Ohne Speck, dafür Schmalz." Doch das Amt des Grünkohlkönigs ist nicht nur eine besondere Ehre, von der Jana Göpel noch einmal sprach. Es ist auch eines, das auf Mehrheiten beruht. Und so kam am Freitag zur neuen Königswahl im "Schacht Barbara" deftiger Grünkohl auf den Tisch, der gerupft und mit reichlich Fleisch versehen war. Kassler im Gemüse gegart, deftige Wurst, dazu Klöße, Soße, nach Belieben Senf. Als Kontrast Süßes zum Dessert und für die Verdauung einen klaren Schnaps.

Die Gräfenhainichener Mittelständler lieben es bodenständig und freuen sich auf die große Zeit des Grünkohls, über den Jana Göpel nicht nur ein Gedicht vortrug. Sie sinnierte auch über dessen Kaloriengehalt, über den nötigen Frost und das gute Waschen. In seinen krausen Blättern, weiß sie, ist Platz für Erde und Getier. Ein Schuss Senf, so ihr Tipp für Hobby-Köche, mache das Gemüse noch verträglicher. "Die Öle regen die Verdauung an", erläuterte Frau Göpel. Ein Vortrag im Angesicht von vollen Pfannen und Töpfen. Aber Majestäten haben die Freiheit, zu entscheiden. Das kommt an in der Heide, das macht das Grünkohlessen zu einem nicht alltäglichen kulinarischen Zeitvertreib.

Natürlich, sagt MIT-Chef Harald Kremer, sei alles auch ein Angebot, Sorgen und Nöte des Geschäftslebens zu vergessen. "Einfach ungezwungen reden, plaudern. Auch mal den einen oder anderen Spaß machen." Kremer redet gern über Grünkohl und die Königswahl, die auf eine Idee des Zschornewitzers Herbert Gandyra zurückgeht.

Im Vergleich zu Gandyra fehlen Harald Kremer allerdings die Königsweihen. "Einmal möchte ich es auch werden. Ehrlich. Aber ich habe Zeit", erklärt die Majestät im Wartestand. Nächstes Jahr wird der König zum zehnten Mal gekürt. Ob das der Moment für den MIT-Chef werden wird, ist vorläufig indes völlig offen.