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Das Handwerk ist Familientradition

Von CHRISTA MICHAILOWA 30.06.2010, 18:17

SÖLLICHAU/MZ. - Die Familie steigt anderen Leuten aufs Dach. Und das nun schon in der sechsten Generation. Der Blick von oben auf diese Welt haben die Männer der Familie mindestens seit 1890 - so weit lässt sich das Dachdecker-Handwerk der Domteras zurückverfolgen. Und nun steht zum ersten Mal in der Reihe der ehrwürdigen Handwerker eine junge Frau. Catherina Domtera erhielt mit 21 Jahren 2008 als jüngste Dachdeckermeisterin der Bundesrepublik Deutschland den Meisterbrief.

Auf Kirchen, Wohnhäusern, Wirtschaftsgebäuden weit über die Grenzen Söllichaus hinaus hat sich die Domtera GmbH mit ihrer Arbeit verewigt. Der Respekt, den sich die Belegschaft erarbeitet hat, war kürzlich zu spüren, als der nunmehrige Meister und Firmenchef Reinhard Domtera zum 20. Firmenjubiläum eingeladen hatte.

Angeregt von seinem Vater Erwin Domtera, ebenfalls ein gestandener Meister im Beruf, begann er 1969 seinen beruflichen Weg als Dachdecker, der schließlich nach der Arbeit in PGH und volkseigenem Betrieb 1989 zu dem Entschluss führte: Ich schaffe mir jetzt meinen eigenen Betrieb. So wie ihn zuvor sein Großvater ab 1922 schon einmal geführt hatte.

Wenn er und seine Frau Karola an den ungewohnten, schweren Anfang in dieser Zeit zurückdenken, sind sie erstaunt, mit welchem Mut, Vertrauen in die eigene Kraft und auch einem Quäntchen Unbedarftheit und Unkenntnis der geschäftlichen Gepflogenheiten einer völlig anderen Gesellschaftsordnung sie den Weg in die Selbständigkeit gegangen sind. "Aus dem Wohnzimmer heraus quasi" - so erinnert sich Frau Karola heute lächelnd - "haben wir den neu gebildeten Betrieb geleitet." Ein Dacia als Firmenfahrzeug und ein Hänger waren der "Fuhrpark".

Wer hingegen heute die "Flotte" der Betriebsfahrzeuge samt Kran auf dem Hof des neu gebauten Firmengeländes stehen sieht, kann ermessen, wie die Firma aus eigener Kraft und vor allem mit der Belegschaft dem angesehenen Namen "Meisterbetrieb Domtera" neue Achtung hinzufügte. Unübersehbar ist auch die 1995 errichtete Halle mit dem modernen Geschäftshaus am Dorfeingang von Söllichau.

Doch Mut und Ideen zu Neuem waren nicht nur vor 20 Jahren vonnöten. Wer heute nicht weiterdenkt, gerät bald ins Hintertreffen, das wussten der erfahrene alte und der jüngere Meister im Betrieb. Deshalb gehört seit einiger Zeit auch eine eigene Zimmerei und Dachklempnerei dazu.

Nicht nur in luftiger Höhe auf Kirchen und Hausdächern kennt sich Reinhard Domtera aus, auch ganz erdnahe Dinge der Gemeinde bewegen ihn, und so entschied er seit 1990 im Gemeinderat von Söllichau die Geschicke der Gemeinde mit. Außerdem wählten ihn die Bürger mit großer Mehrheit vor zwei Jahren als CDU-Abgeordneten in den Kreistag von Wittenberg. Und sein Rat ist seit 1994 auch in der Dachdeckerinnung gefragt.

Wenn die Firmentradition bewahrt werden kann, ist jeder Handwerksbetrieb stolz. Und wenn einer wie Meister Domtera schon drei Generationen dieses Berufes hinter sich weiß, dann freut es ihn besonders, dass als Jüngste dieser Tradition nun Tochter Catharina steht.

Die zierliche junge Frau mit dem dunklen Haarschopf ist kaum zusammenzubringen mit dem harten Beruf des Dachdeckers. Catharina Domtera hat sich schon dazu entschieden, den Betrieb weiterzuführen. Doch jetzt steht noch ein Studium auf ihrem Lebensprogramm, bei der Fakultät Bauen, Planen Umwelt an der Technischen Universität Berlin. Ein Forschungsprogramm über Städteplanung angesichts abnehmender Bevölkerungszahlen ist ein interessantes Thema für die junge Dachdeckermeisterin. Sie wolle über den Tellerrand schauen, begründete sie ihre Entscheidung fürs Studium.

Übrigens: Zum 20. Firmenjubiläum brachten Freunde aus Radis braune Kamerunschafe als Geschenk. Die Frau des Meisters nimmt's gelassen und freut sich: "Dann sind das jetzt unsere Glücksschafe für die nächsten Firmenjahre, wenn es keine Glücksschweine sein konnten."