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Bus und Bahn in Wittenberg Bus und Bahn in Wittenberg: Hervorragende Haltestellen

Von Marcel Duclaud und Irina Steinmann 14.05.2019, 11:48
Der Wittenberger Altstadtbahnhof mit Bushaltestelle.
Der Wittenberger Altstadtbahnhof mit Bushaltestelle. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Manchmal gibt es gute Nachrichten vom Öffentlichen Personennahverkehr, der ansonsten oft und gerne gescholten wird. Eine hat die „Allianz pro Schiene“ parat. Sie wartet mit der Nachricht auf, dass der Landkreis Wittenberg weit vorne liege, was die Erreichbarkeit der Haltestellen des Bus- und Bahnverkehrs betrifft.

„In Sachsen-Anhalt“, heißt es in einer Presseinformation des gemeinnützigen Lobby-Vereins, der sich eine höhere Nutzung des öffentlichen Verkehrs insbesondere auf der Schiene zum Ziel gesetzt hat, „bieten die kreisfreie Stadt Halle und der Landkreis Wittenberg ihren Bürgern ungewöhnlich kurze Wege zu Bus und Bahn.“

Und weiter: „Wittenberg belegt im ostdeutschen Vergleich einen hervorragenden 19. Platz und ist damit der Landkreis im Osten mit dem dichtesten Netz an Haltestellen und Bahnhöfen.“

Angebot „nach Bedarf“

Da ist auch Holger Zubke einigermaßen überrascht, der beim Kreis den undankbaren Job hat, den ÖPNV zu organisieren und gerade erst den Zorn der Elternschaft spüren durfte nach der jüngsten Umstellung des Fahrplans: „Ja, wir haben ein ordentliches Netz“, bemerkt er.

Das soll im Übrigen weiter „verfeinert werden“ - mit zusätzlichen Haltestellen etwa in Wittenbergs Lutherstraße vor dem Ärztehaus. Da gab es während des Reformationsjubiläums mal einen Haltepunkt. Dass der wieder eingerichtet wird, wünsche sich die ältere Kundschaft. Zubke: „Wir schauen immer nach dem Bedarf.“

Was die Bahnhalte betrifft, profitiert der Landkreis vom Bahnkreuz Dessau - Falkenberg und Berlin - Leipzig: Sämtliche Linien führen über den Hauptbahnhof, die Stadt verfügt allein über sechs Bahn-Haltepunkte.

Die andere Seite: Haltestellen sind gut und schön, wenn dort aber nichts hält, nützen sie wenig. Diese Meinung begegnet den MZ-Reportern gerade in den kleineren Orten im Kreis des öfteren. Auch in größeren. Diana Skowronek (parteilos), scheidende Bürgermeisterin von Pretzsch, lässt am gegenwärtigen ÖPNV-Angebot nicht viele gute Haare: „Wir sind verloren und vergessen. Da muss sich was ändern. Am Besten schon morgen“, sagt sie.

Bei ihrem Ranking hat die „Allianz pro Schiene“ nach Auskunft ihres Sprechers Markus Sievers die Kriterien des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zugrunde gelegt. Gezählt werden demnach Haltestellen, die nicht mehr als 600 (Bus) und 1200 Meter (Bahn) vom Wohnort der potenziellen Nutzer entfernt sind sowie mindestens 20 Mal pro Tag (in beiden Richtungen insgesamt) angefahren werden. Dies trifft auf 96,4 Prozent der Landkreis-Bürger zu (Sachsen-Anhalt: 89,5). Folgende Hauptlinien sind nach den Worten von Holger Zubke im Landkreis Wittenberg zurzeit festgelegt, die von Bussen regelmäßig befahren werden: Straach - Wittenberg, Coswig - Wittenberg, Kropstädt - Wittenberg, Wittenberg - Jessen, Wittenberg - Kemberg - Bad Schmiedeberg, Wittenberg - Wörlitz - Dessau-Roßlau. Gräfenhainichen etwa tauche nicht auf, weil die Zugverbindung dorthin gut funktioniert.

Pretzsch und auch die Kurstadt seien „abgeschnitten“. Der Öffentliche Nahverkehr sei einseitig auf die Schülerbeförderung zugeschnitten. Und in den Ferien ist dann „Ende Gelände“. Sie hofft, dass die Heidebahn irgendwann doch wieder aktiviert wird. Die oft als Alternative ins Feld geführten Anrufbusse überforderten alte Leute, schwierig sei das zudem für Rollstuhlfahrer und Leute, die gerne ihr Fahrrad mitnehmen möchten.

Auch in der Stadt Wittenberg selbst muss man nach Verbesserungswünschen nicht lange suchen. Die Erhebung der „Allianz pro Schiene“ erscheine ihm „sehr oberflächlich“, sagte in einer ersten Reaktion der Vorsitzende des Fahrgastbeirates, Maik Müller. Er gehe davon aus, dass die Rufbushaltestellen „100-prozentig mitgezählt wurden“, anders könne er sich das gute Abschneiden des Landkreises Wittenberg nicht erklären.

Zumal im Bahnverkehr im Westen der Lutherstadt sogar eine Haltestelle weggefallen sei - nämlich der zuvor ebenfalls für den ÖPNV genutzte Haltepunkt auf dem SKW-Werksgelände - und es zudem versäumt worden sei, bei der Sanierung des Haltepunkts in Griebo diesen abgelegenen Stopp an einen nutzerfreundlicheren Ort zu verlegen.

Was den innerstädtischen Busverkehr angeht, kritisiert Maik Müller - bei allem Verständnis für den Landkreis, keine leeren Busse fahren lassen zu können - weiße Flecken auf der Karte wie beispielsweise die Wittenberger Dörfer Euper oder Schmilkendorf, die im regulären Busverkehr gar nicht mehr angefahren werden. Hauptanliegen und Hauptkritikpunkt des achtköpfigen Fahrgastbeirates am Zustand des ÖPNV in und um Wittenberg sei freilich der Umstand, dass auf der wichtigen Linie 300 (Wöhlerstraße - Hauptbahnhof - Apollensdorf) an Sonn- und Feiertagen der letzte Bus bereits kurz nach halb vier am Nachmittag verkehrt - und auch werktags mit 19.10 Uhr zu früh Schluss sei. „Als Fahrgastbeirat“, fasst Müller zusammen, „würde ich immer begrüßen, wenn Wittenberg einen eigenen Stadtverkehr hätte“.

Hauptlinien im Stundentakt

Zubke hingegen verteidigt das Nahverkehrs-System im Landkreis. Er spricht von sechs Hauptlinien, die zumindest zwischen 5 und 19 Uhr im 60-Minuten-Takt bedient werden, im Wittenberger Kerngebiet fahren Busse im 30-Minuten-Takt. Dass es in Ferienzeiten Einschränkungen gibt, räumt der Fachdienstleiter ein. Verweist aber zugleich auf die Anrufbusse, die im vergangenen Jahr rund 62 000 Mal in Anspruch genommen worden seien: „51 249 Fahrten wurden koordiniert.“

Wer den Anrufbus nutzen möchte, muss sich spätestens eine Stunde vor der gewünschten Abfahrt mit dem Anbieter in Verbindung setzen, das Wunschziel mitteilen und die Haltestelle, an der er zusteigen möchte. Meist kommt ein Kleinbus und bringt den Fahrgast entweder zum nächsten Linienbus oder aber gleich zum Ziel. Gezahlt werden muss der reguläre Fahrpreis plus ein Euro Zuschlag, wenn kein Zeitfahrausweis vorliegt.

Den Nahverkehr auszuweiten, sei zurzeit nicht geplant. Zubke verweist auf Pilotprojekte, die mangels Zuspruch keine Fortsetzung fanden. Der Wunsch nach mehr Bus- und Bahnverbindung und die tatsächliche Nutzung differierten zuweilen.

Das Rufbus-System ist zwischen 5 und 22 Uhr aktiv. Die Telefonnummer lautet: 08000366910. (mz)