Buchhandlung Kummer Buchhandlung Kummer: Dem Schulbuch 111 Jahre treu geblieben

Wittenberg - Im kleinen Büro hinterm Laden hängt gerahmt eine Urkunde. Auf dieser wird Beate Klauß zu 100 Jahren erfolgreicher unternehmerischer Tätigkeit gratuliert. Das Dokument kam von der Industrie- und Handelskammer im Jahr 2010. Inzwischen ist besagte, aber eben gar nicht betagte Jubilarin, zwar zehn Jahre älter, bis zu ihrer 100 fehlen aber immer noch vier Jahrzehnte.
„Weil uns das so erheitert, hängt diese Urkunde hier“, sagt die Senior-Chefin lachend, bevor sie auf weitere Bilder an der Wand und eine Chronik auf dem Schreibtisch weist. Diese enthält weitere Urkunden und Glückwünsche, die das Familienunternehmen an der Ecke Geschwister-Scholl-/Falkstraße in den bisherigen elf Jahrzehnten bekommen hat.
In der Chronik
Aber auch so manches Erinnerungsstück vom Vater bis zum Urgroßvater hat Beate Klauß in dem Sammelbuch zusammengetragen. Anzeigen sind darunter, die den Schulbuchverkauf anpreisen, Aufnahmen, die Veränderungen am Eckhaus belegen und dabei zeigen, dass es in gewisser Weise aussieht wie eh und je, und Fotos von Jubiläen wie eben dem 100-jährigen Bestehen.
Das 110. kommt pandemiebedingt nur knapp darin vor. „Ich finde das 111. ist interessanter“, sagt Klauß, denn es passe so gut zum Gründungsdatum, dem 1.11. Da der 1. November in diesem Jahr zudem auf einen Montag falle, soll er durchaus mit einer Überraschung begangen werden.
In der Geschichte der Buchhandlung ließe sich übrigens mit Augenzwinkern auch eine Erklärung dafür finden, warum der Tag des Buches und der Tag des Bieres auf ein Datum fallen. Brauerei und Buchhandel sowie Bier- und Buchverkauf haben in der Familie durchaus enge Verbindungen.
Das zweite Standbein
Ihre Oma habe nebenan in der Falkstraße Bier verkauft, erinnert Beate Klauß an den ehemaligen zweiten Laden, der später Lager wurde und über den noch später die Ladenerweiterung möglich wurde. Margarete Kummer habe sich und ihre beiden Söhne mit dem kleinen Laden für Tabakwaren und Spirituosen sowie Süßkram über Wasser halten können.
Eine Rechnung in der Chronik belegt, dass sie sogar für Neuerungen sorgte. Im Februar 1938 hat Elektro-Werner einen Zigarettenautomaten angeschlossen. Kabel und so weiter für 9,10 Reichsmark. Neben dem Bierverkauf, den auch Klaus-Dieter und Helga Kummer noch bis 1972 betrieben, hatten die Eheleute zwischenzeitlich die Brauerei Happ in Wörlitz.
Als Helga Kummers Vater 1959 starb, führten sie das Unternehmen noch für ein Jahr, bevor sie es den dann volljährigen Brüdern von Helga Kummer übergaben. Keine Frage, dass es in Wittenberg auch das Wörlitzer Bier gab.
Den Schulbüchern sind übrigens alle Generationen treu geblieben. Um die 7.000 kommen bei Beate Klauß und ihrer Kollegin Sabine Schmitz jedes Jahr an. Mehrere Schulen der Stadt nutzen den Service, aber auch Schüler aus Jeber-Bergfrieden und Gräfenhainichen werden versorgt.
„Dreimal mindestens packen wir jedes Buch an“, sagt Klauß, „da wissen wir abends, was wir geschleppt haben.“ Das ganze Haus füllen die Frauen dann mit Büchertüten.
Wieder mit Lotto
Gleichwohl hat sich Beate Klauß auch zwei weitere Standbeine an den Standort geholt. Zwar nicht mit einem weiteren Laden, aber mit der Postfiliale und seit Ende vorigen Jahres mit Lotto. „Fast 50 Jahre, nachdem meine Oma aufgehört hat, habe ich nun die Lizenz“, freut sich die rührige Händlerin. Bemüht hatte sie sich schon viele Jahre darum, aber es war offenbar nichts frei.
Bei dem riesigen Aufwand, der dann ziemlich plötzlich und das im Pandemiejahr auf die beiden Frauen zukam, habe sie es schon ein wenig bereut gehabt, räumt Beate Klauß ein. „Das war alles Neuland für uns“, fügt Sabine Schmitz hinzu. Doch seitdem es angefangen habe, „läuft es“, freut sich auch die 57-jährige Mitstreiterin, die seit über 20 Jahren mit im Laden ist. Tatsächlich gab es in den wenigen Wochen des Lotto-Angebots auch schon Gewinne, den höchsten mit rund 2.400 Euro.
Indes bleiben Schulbedarf - „Wir haben alles für die Schule, auch wenn derzeit mehr nach Kopierpapier als nach Heften gefragt wird.“ - und Bürobedarf die Spezialgebiete. Das reicht von Auftragsbüchern, auch und gerade auf spezielle Kundenwünsche hin, bis hin zu Zirkelminen, den wohl kleinsten Dingen im Laden.
Glückwunschkarten zu verschiedenen Anlässen, „für deren Bestellung wir mindestens drei Stunden brauchen, in denen wir Sprüche lesen und Bilder anschauen“, verschiedene Spiele, Zeitschriften, Kalender, Noten und reichlich regionale Literatur runden das Sortiment ab. Dazu kommt die Beratung der beiden Frauen, die die Kunden sehr zu schätzen wissen.
Drei Generationen seit 1910
Fritz Maiwald (1879-1959) hat mit der Schulbuchhandlung am 1. November 1910 die Familientradition gegründet, damals in der Falkstraße 2. Zwei Jahre später kaufte er das Eckgrundstück in der Adlerstraße, der heutigen Geschwister-Scholl-Straße 3. Selbst einen der ersten Telefonanschlüsse hatte die Buchhandlung ab 1913. Die Nummer 725 hatte Jahrzehnte Bestand und wurde zu DDR-Zeiten um eine 2 ergänzt zur 2725.
Klaus-Dieter Kummer (1932-2014) setzte mit seiner Frau Helga (1931-1988) die Buchhandelstradition fort - bis 1990 in Kommission mit der HO, dann wieder als reines Privatunternehmen. Nach dem Tod von Fritz Maiwald 1959 hatte dessen Frau Anna (1883-1966) noch ein Jahr das Geschäft geführt und dann an den Enkel übergeben. Maiwalds Tochter Margarete (1904-1988) hatte zwar 1928 den Buchhändler Kurt Kummer (1902-1937) geheiratet, doch dieser konnte aufgrund seines frühen Todes die Buchhandlung der Schwiegereltern nicht fortführen.
Beate Klauß wiederum hat das Geschäft 1998 von ihrem Vater übernommen, nachdem sie ihn seit 1994 dort unterstützt hatte. (mz)


