Briefmarke Briefmarke : Europäer ehren Wittenberger Wissenschaftler mit Briefmarke

Wittenberg - Mit einer Gemeinschaftsausgabe würdigen die Postverwaltungen der Tschechischen Republik, Ungarns, Polens und der Slowakei Leben und Werk von Jan Jessenius, der vor 450 Jahren geboren wurde, wissenschaftlich in Wittenberg gewirkt und an der hiesigen Universität gelehrt und der im Melanchthonhaus gewohnt hat.
Auf den Marken mit Zierfeld sind ein Porträt des Geehrten, das Lucas Kilian 1618 schuf, und das Titelblatt des in Wittenberg erschienenen Buches „Anatomiae, Pragae anno 1600 abs se solenniter administratae historia“ zu sehen.
Die Wurzeln der Medizinischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) reichen bis in die 1502 in Wittenberg gegründete Universität, die „Leucorea“, zurück. Durch das Wirken von Johannes Jessenius (1566-1621) gehörte die Wittenberger Universität auf den Gebieten der Pathologie und Anatomie zu den führenden Lehranstalten.
Zu den bedeutenden Schriften von Jan Jessenius, die in Wittenberg erschienen sind, zählt neben besagter „Anatomiae“ auch „De ossibus tractatus“. Gewürdigt wird er außerdem mit dem Namen des Zuges EC 175 „Jan Jessenius“ von Hamburg-Altona nach Budapest.
Jessenius schwor kein Eid auf päpstliche Kirche
Johannes Jessenius von Jessen, auch bekannt als Johannes Jessen, Jan Jesenský und Jan Jesensky a Jesen, war der Sohn von Balthasar Jesenský, einem slowakischen Adeligen aus der Turz im Königlichen Ungarn. Er wurde am 27. Dezember 1566 in Breslau geboren. Das Medizinstudium absolvierte er von 1585 bis 1591 in Leipzig und Padua.
Dokumente der Geschichte der Wittenberger Universität sind nicht zuletzt die weißen Schilder an den Universitätsgebäuden und Professorenhäusern.
Johannes Jessenius verfügte nicht nur über gute medizinische Kenntnisse und sein Wissen bezog sich nicht allein auf neue medizinische Erkenntnisse, sondern er war auch in allen philosophischen Fragen seiner Zeit bewandert. Er kannte sich auch in der Theologie und in der Astronomie aus. Als fleißiger Publizist verstand er es, sein reiches Wissen an andere Mediziner und an seine Studenten weiter zu geben. Von 1587 bis 1620 kamen von ihm 90 Bücher heraus.
Die Universität Padua verließ er ohne korrektes Doktordiplom, da er als Protestant keinen Eid im Sinne der päpstlichen Kirche leisten wollte. Seinen Abschluss ließ er sich in Prag von einem Notar bestätigen und erhielt so die Würde eines Dr. phil. et. med. verliehen.
1593 wurde er Leibarzt für die Kinder des verstorbenen sächsischen Kurfürst Christian I. sowie Leibarzt des Herzogs Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar. Mit einer philosophischen Schrift, die er in Wittenberg drucken ließ und dem Herzog widmete, gewann er diesen als Gönner und wurde 1594 Professor der Chirurgie und Ordinarius für Anatomie an der Universität Wittenberg.
Seine Wohnung nahm Jessenius in dem Haus, das einst Melanchthon gehörte und das bis in die Gegenwart als Melanchthonhaus erhalten ist. Die medizinische Lehre hat Jessenius als Anatom durch zahlreiche Sektionen, die als öffentliche Anatomie oft den Charakter von Schauspielen hatten, bereichert.
1595 hatte Jessenius in Breslau die zwei Jahre ältere Maria Felsia geheiratet, mit der er keine Kinder hatte. 1597 war Jessenius Dekan der Medizinischen Fakultät und Rektor der Universität Wittenberg. Im Jahr 1600 folgte er einer Einladung nach Prag und erfüllte dort die Bitte zu einer öffentlichen Sektion. Daran sollen etwa 1.000 Zuschauer teilgenommen haben.
Als Jessenius 1601 in Wittenberg zu einer öffentlichen Sektion eines Gehängten einlud, war er sich der Angriffe durch die Theologen gewiss. Für seine Tätigkeit erhielt er allerdings auch höchste Anerkennung, so durch einen Brief des Fürsten Heinrich Julius, Herzog von Braunschweig. In 19 Jahren soll Jessenius etwa 100 Leichen seziert haben.
Zu seinen Freunden gehörte der Astronom Tycho Brahe, der eine zeitlang bei ihm in Wittenberg gewohnt hatte. Als Brahe im Dezember 1601 in Prag verstarb, fuhr Jessenius zu dessen Beerdigung und hielt eine Leichenrede für den unter nicht völlig geklärten Umständen vorzeitig verstorbenen Hofmathematiker des Kaisers.
Wissenschaftler lebte ab 1602 in Prag
Anschließend blieb er einige Wochen in Prag und knüpfte Kontakte zu bedeutenden Vertretern des böhmischen Adel, so zu Karl d. Ä. von Zerotín, zur Karls-Universität und zum Hof von Rudolf II. So ließ sich Jessenius im August 1602 aus kursächsischen Diensten entlassen und zog nach Prag. 1608 veröffentlichte er ein Gutachten über den Aderlass und fügte seinem Namen die Bezeichnung „ungarischer Ritter“ hinzu.
Unter Kaiser Matthias, der 1608 ungarischer König wurde, nannte sich Jessenius „königlicher Arzt“. Als Leibarzt des Kaisers Matthias ging Jessenius 1610 nach Wien. Sechs Jahre später nahm er seinen Wohnsitz wieder in Prag, wo er 1617 Rektor der Karls-Universität wurde, aber keine Professur hatte. Ursache dafür waren die religiös-politischen Spannungen, die sich zwischen den böhmischen Protestanten und dem Habsburger Herrscherhaus von Ferdinand II. entwickelten.
Er setzte sich aber dafür ein, dass die seit der Hussitischen Revolution nur ein Schattendasein fristende Akademie wieder zu einer vollständigen Universität ausgebaut werde. Als die böhmischen Protestanten, deren Wortführer Joachim Andreas Graf Schlick war, in Deutschland und Ungarn Bundesgenossen gegen die Habsburger suchten, übernahm Jessenius als ungarischer Ritter eine Gesandtschaft an den ungarischen Reichstag. Am 20. Juni 1618 reiste er nach Preßburg (Bratislava). Dort wurde er als Störenfried empfunden, festgenommen und nach Wien transportiert, wo er bis Dezember 1618 eine demütigende Kerkerhaft verbüßte.
Kein Grab von Jessenius bekannt
Im Januar 1619 nahm Jessenius seine Tätigkeit als Rektor der Universität in Prag wieder auf, konnte sich aber wegen der Veränderungen in Böhmen, kaum um die Belange der Universität kümmern. Nachdem die Protestanten die Schlacht am Weißen Berg verloren hatten und „Winterkönig“ Friedrich von der Pfalz geflohen war, wurde Jessenius im Dezember 1620 erneut festgenommen und im Altstädter Rathauskerker eingesperrt.
Nach Graf Schlick endete auch das Leben des ehemaligen Wittenberger Anatomieprofessors, Johannes Jessenius, durch die Hand des Henkers. Seine Hinrichtung war besonders grausam. Der Kopf wurde mit den Köpfen weiterer Leidensgenossen für zehn Jahre am Prager Brückenturm aufgespießt. Niemand weiß, wo die sterblichen Überreste des berühmten Mediziners Johannes Jessenius begraben wurden. (mz)
