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Brandstiftung, Körperverletzung & Co. Brandstiftung, Körperverletzung & Co.: Psychiatrie und keine Strafe

Von Ilka Hillger 10.06.2019, 06:13

Wittenberg/Dessau - Sven K. (Name geändert) ist jemand, den man nicht als Nachbar haben möchte. Im Plattenbau, in dem er in Wittenberg lebte, fühlten sich die Mitmieter irgendwann nicht mehr sicher vor dem 32-Jährigen. Er bedrohte, beleidigte, warf mit Gegenständen und Müll.

Sehen konnte man den jungen Mann wenig, denn er verließ kaum die Erdgeschosswohnung. Als sich die Vorfälle häuften und es auch zu strafrechtlich relevanten Vergehen kam, wurde im Dezember die einstweilige Unterbringung des Wittenbergers in einer psychiatrischen Klinik verfügt.

Als schuldunfähig bewertet

Seit dieser Woche nun wird Sven K. mit Hand- und Fußfesseln aus dem Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie Uchtspringe im Dessauer Landgericht vorgeführt. Vor der 8. Strafkammer hat ein Sicherungsverfahren gegen ihn begonnen. K. ist nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter, denn in diesem speziellen Fall eines Strafverfahrens wird keine Bestrafung, sondern lediglich die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt verhandelt.

Schon im Vorfeld ist die Staatsanwaltschaft also davon ausgegangen, dass Sven K. zum Zeitpunkt der Tat infolge einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war. Das liegt auf der Hand, wenn man den 32-Jährigen in den ersten beiden Prozesstagen dieser Woche beobachtet.

Ein ungepflegt wirkender junger Mann, schmächtig und blass, mit langem Haar und Vollbart sitzt in etwas Abstand zu seinem Verteidiger. Das ist wohl besser, denn am Ende beider Tage ergeht von Richterin Sigrun Baumgarten die Bitte an K. doch eine Dusche zu nehmen.

Er soll dies seit vier Wochen nicht getan haben. Reaktionen darauf gibt es nicht. Ob und wie Sven K. antwortet und reagiert ist eher eine Sache des Zufalls. Schon zu Beginn, als lediglich Name und Alter festgestellt werden, dauert es eine Viertelstunde, bis die Antwort von ihm kommt.

Zumindest hat der Mann im Vorfeld mit seinem Anwalt Uwe Wildenhain gesprochen, so dass dieser im Namen seines Mandanten zu den Vorwürfen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen kann. Die führt versuchte schwere Brandstiftung, gefährliche und versuchte Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung auf.

Sven K. soll im Juni des Vorjahres eine Toilettenrolle angezündet und diese auf den Balkon seiner Nachbarin geworfen haben. Weil die Frau auch spät in der Nacht noch wach war und den brennenden Karton bemerkt hatte, konnte eine Ausbreitung des Feuers verhindert werden. Mitte August bedrohte Sven K. dann eine junge Familie, die in der Etage über ihm wohnte.

Als sich das heimkehrende Paar mit kleinem Sohn in die eigene Wohnung geflüchtet hatte, versuchte der 32-Jährige das Türschloss mit einem Schraubenzieher aufzuhebeln, er goss eine stinkende Flüssigkeit durch den Türspalt in die Wohnung und warf im Hausflur mit Gegenständen.

Opfer greift beherzt ein

Einer traf auch den Vater der bedrohten jungen Frau am Auge, als dieser gemeinsam mit seiner Frau hinzukam, weil seine Tochter ihn telefonisch um Hilfe gebeten hatte. Der Mann erlitt eine Platzwunde am Auge, konnte aber Sven K. so lange zwischen sich und dem Treppengeländer im Haus festhalten, bis die Polizei eintraf. Die Beamten wurden schließlich von dem Beschuldigten bespuckt.

All dies bestätigt sich bei den zahlreichen Zeugenvernehmungen von Nachbarn, Geschädigten und Polizeibeamten an den beiden Verhandlungstagen dieser Woche. Sven K. freilich lässt über seinen Verteidiger mitteilen, dass er die Straftaten so nicht begangen habe. Er sei nicht so krank, wie in einem bisherigen Gutachten behauptet wird und verlangt die Entlassung aus der Klinik.

Dass er da momentan offensichtlich besser aufgehoben ist, als in seiner Wohnung, zeigen seine Reaktionen vor Gericht. Im Sekundentakt wiederholt er Sätze, wenn er verlangt, den Raum verlassen zu können, stellt immer wieder die gleiche Frage, auch wenn diese längst beantwortet ist. Einige Male steht K. plötzlich auf. Seine Pfleger reagieren prompt, drücken ihn auf den Stuhl und erlauben sich keinen Augenblick der Unachtsamkeit.

Am Freitag behauptet Sven K., sie hätten Morddrohungen gegen ihn ausgesprochen und er wolle keinesfalls zurück in die Klinik. Er fordert, in der Wittenberger Bosse-Klinik behandelt zu werden, wo es bereits einige längere und kurze Aufenthalte des Mannes in der Vergangenheit gegeben hatte.

Gegen Medikamente

Genaueres sollen Anfang Juli die Unterlagen von dort berichten, die auch der Sachverständige benötigt, denn bei der Begutachtung durch Joachim Witzel, Ärztlicher Direktor in Uchtspringe, zeigte sich der Beschuldigte wenig bis gar nicht kooperativ und verweigert seit seiner Unterbringung die Einnahme von Medikamenten.

Ein wenig Licht in die Vorgeschichte des Beschuldigten wird dann wohl auch dessen Vater bringen, der als Zeuge geladen werden soll. (mz)