Bootstaufe in Bergwitz Bootstaufe in Bergwitz: Drachenboot "Bai Long" auf Jungfernfahrt

Bergwitz - Emsiges Treiben herrscht an der Slipanlage, nahe des Campingplatzes am Bergwitzsee. Die Mitglieder des Vereins „Wittenberger Schlossdrachen“ feiern ein besonderes Highlight: die Taufe ihres nagelneues Drachenbootes.
Auf einem speziellen Anhänger rangiert Vereinsvorsitzender Bodo Riethdorf den über zwölf Meter langen Nachen zum Ufer. Starke Arme heben ihn auf bereitstehende Böcke. Bei Jörg Schäftner, sportlicher Leiter der Truppe, werden Erinnerungen wach: „Angefangen hat alles 2008. In der Zeitung habe ich einen Aufruf gelesen, dass für den Sachsen-Anhalt-Tag in Merseburg Teilnehmer für einen Drachenboot-Wettkampf gesucht werden. Das hat mich als damals aktiven Paddler sehr gereizt“. Gemeinsam mit seinem heutigen Vereinskollegen Michael Behrendt hatte Schäftner schnell einige Freunde und Bekannte um sich geschart. Von der Sportjugend Wittenberg wurde ein Boot ausgeliehen und schon konnte es losgehen.
Verein sucht neue Mitglieder
Aus Spaß an der Sache blieb ein Großteil der Gruppe dieser Freizeitbeschäftigung treu und gründete schließlich am 26. Mai vor zwei Jahren die „Wittenberger Schlossdrachen“. Heute zählt der Verein 26 Mitglieder. Da die Besatzung eines Bootes aus 20 Paddlern, einem Steuermann und einem Trommler besteht, kein all zu großes Potenzial. „Ich würde gern aus einem Pool von 50 Leuten schöpfen können. Neue Mitglieder sind uns jederzeit herzlich willkommen“, so Schäftner. Bodo Riethdorf verweist darauf, dass ein nicht voll besetztes Boot bei Wettkämpfen keine Chance hat. „Wir dürfen zwar auch mit weniger Leuten starten.
Wenn aber der entscheidende erste Schub fehlt, hat man jedoch schon auf den ersten zehn Metern verloren“, ist die Erfahrung des Vereinsvorsitzenden. Dennoch haben Vereinsmitglieder schon einige Siege eingefahren. Eine von ihnen ist Yvette Raiskup. Sie ist in Gräfenhainichen zu Hause und versäumt so gut wie kein Training. Fast jeden Sonntagvormittag findet sie sich im Marine-Sportclub Wittenberg ein. „Wir verfahren nach dem Motto Fun und Sport. Der Zusammenhalt bei uns ist sehr gut. Wir sind wie eine große Familie.“ In dieser Familie heimisch fühlt sich auch Sarah Wildgrube. Mit 22 Jahren ist sie derzeit das Küken im Verein. „Mir macht das großen Spaß“, ist ihr Fazit.
Ein Drachenboot ist ein besonders langes, offenes Paddelboot. Der Ursprung wird von Wissenschaftlern um das Jahr 500 vor Christus, in der Gegend des Jangtsekiang im südlichen Zentral-China, vermutet. Organisierte Wettkämpfe gab es dort nachweislich bereits über 900 Jahre vor Christus. Das Boot stellt meist durch Bemalung und/oder Schnitzarbeiten sowie einen kunstvoll gestalteten Drachenkopf und -schwanz einen stilisierten chinesischen Drachen dar. Heute finden diese Wasserfahrzeuge bei Veranstaltungen weltweit als Sportboote Verwendung. Auf dekorative Elemente wird hierbei oft verzichtet.
In Deutschland wurde der Drachenbootsport zu Beginn der 90er Jahre immer populärer, was sich in einer zunehmenden Anzahl von Regatten und einer steigenden Zahl der hier organisierten Sportler äußerte. 1995 fand die erste Weltmeisterschaft in China statt.
Die Taufe beginnt: Die „Schlossdrachen“ nehmen hinter ihrer neuen Errungenschaft Aufstellung. Sie erfolgt in Anlehnung an eine alte chinesische Priesterzeremonie. In leuchtend gelbe Seide gehüllt schreitet eine Chinesin, alias Yvette Raiskup, mit einem Schwert in der Hand das Boot ab. Durch eine Berührung von Kopf und Schwanz des Drachen prüft sie dessen Friedfertigkeit. Als nächstes wird der Hunger des Fabeltieres mit einem Bund Möhren gestillt. Es folgt das Verbrennen von Geldscheinen, deren Asche auf das Haupt und das Hinterteil des Ungeheuers gestreut wird. Zur Abkühlung wird mit Wasser nachgespült.
Wind frischt auf bei der Jungfernfahrt
„Es handelt sich um Elbwasser. So kann er sich gleich an seine künftige neue Heimat im Marine-Sportclub Wittenberg gewöhnen“, erklärt Jörg Schäftner das Ritual. Seine Sehfähigkeit erhält der Drache durch das Ausmalen der Augen. Eine Aufgabe, der Torsten Seelig, Bürgermeister von Kemberg (CDU), mit viel Hingabe nachkommt. Letztendlich wird der Bug des Schiffes von seinem Abdecktuch befreit und der Namenszug wird sichtbar. „Bai Long“, was soviel wie „Weißer Drache“ heißt, wird künftig seine Gegner das Fürchten lehren. „Drache erwache und flieg von Sieg zu Sieg“, gibt Jörg Schäfter dem Schmuckstück mit auf den Weg, als es zum Ufer getragen wird. Kaum hat das Boot die Wasseroberfläche berührt, frischt der Wind stark auf. Schaumkämme bilden sich auf den Wellen. Bei der nächsten Windböe macht sich der Zeltpavillon selbständig und starke Hände halten das Boot, bevor sich der „Weiße Drache“ auf Jungfernfahrt begibt. (mz)