Bahnhöfe in Bergwitz und Radis Bahnhöfe in Bergwitz und Radis: Trostloses Bild

Kemberg - Es ist ein trostloses Bild, das sich dem Reisenden am Bergwitzer Bahnhaltepunkt bietet. Das liegt nicht nur am Lokführerstreik, der am Mittwochmorgen wieder einmal für leere Bahnsteige in Deutschland sorgt - auch der Zustand des ehemaligen Bahnhofsgebäudes lässt zu wünschen übrig. Fenster und Türen im Erdgeschoss sind mit schweren Metallplatten verschlossen, in den oberen Stockwerken wehen alte, ergraute Gardinen durch die Löcher in den Fensterscheiben. Am Güterschuppen ist die Dachkonstruktion eingefallen, ein Plaste-Flatterband soll Neugierige vom Betreten abhalten. Ein Blick durch eine offene Tür lässt vermuten, dass die Maßnahme für die Neugierigen wenig überzeugend ist. In einem weiteren Schuppen stapeln sich blaue Müllsäcke bis unter die Decke.
Auch in Radis ist der Anblick nicht viel einladender. Dort holt sich die Natur Stück für Stück ihr Refugium zurück. Hohes Gras und Bäume sorgen wenigstens für einen „Grünen Bahnhof“ - weit vor der Zeit, in der die Kreisstadt Wittenberg sich mit einem solchen - wenn auch dann neu gebauten - schmücken will.
Die Bahnhöfe in Bergwitz und Radis befinden sich - wie viele alte Bahnimmobilien in Sachsen-Anhalt - in privater Hand. Die Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA GmbH) hat bereits im Jahr 2009 mit seiner Broschüre zum EU-Forschungsprogramm „Revita“ angeregt, die alten Immobilien als „Eingangstor zur Stadt“ zu betrachten, vor dem Niedergang zu retten und wiederzubeleben.
Seitens der DB AG sind in den letzten Jahren neben Einzelverkäufen an Städte und Gemeinden vor allem ein Paketverkauf von bundesweit inzwischen über 1 000 Bahnhofsgebäuden an die britisch-deusche Patron Capital Ltd. vorgenommen worden. Im Land Sachsen-Anhalt hatte die Bahn 2008 insgesamt 91 Bahnhofsgebäude an diese Firma, 14 an andere Privatinvestoren und sechs an Kommunen veräußert (Stand Mai 2008). Nur 13 Bahnhofsgebäude des sogenannten Kernportfolios sollen im Bestand der Bahn bleiben.
Sicher ist der Zustand dieser beiden Bahnhöfe in der Stadt Kemberg kein Einzelfall im Landkreis - aber exemplarisch. Seit vielen Jahren wird Kritik geäußert - geändert, zumindest langfristig, hat sich seitdem eher wenig. „Es sieht aus wie bei Schweins“, meinte MZ-Leser Walter Schmidt bereits 2005 über den Zustand der Bahnhöfe in der Region Gräfenhainichen. Und schon 1994 hoffte die damalige Bergwitzer Grundschulleiterin Monika Pölitz, dass „mit der Malerei (in der Unterführung, Anm. d. Red.) (...) späteren Schmierfinken der Mut genommen wird“. Die Angesprochenen scheinen bis heute nicht an Mutlosigkeit zu leiden.
Der Kemberger Stadtverwaltung sind im Umgang mit beiden Schandflecken die Hände gebunden. „Die Gebäude sind im Privatbesitz - und solange keine Gefahr für die Allgemeinheit davon ausgeht, kann ich ordnungsrechtlich nicht dagegen vorgehen“, erklärt Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig (CDU). Die Eventualität, dass jemand in das Bauwerk eindringt und dort zum Beispiel Feuer legt, reiche argumentativ nicht aus. „Ich kann ja nicht jedes leerstehende Privatgebäude zumauern lassen, nur weil da einer reingehen könnte.“ Anders sehe das aus, wenn etwa Kinder in das Haus eindringen. „Wenn mir jemand sowas meldet, dann habe ich auch eine Grundlage, dagegen aktiv vorzugehen.“ (mz)
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