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Backwaren  Backwaren : So wird 'ne Brezel draus

Von Ilka Hillger 04.11.2019, 18:14
Matthias Hartung leitet das Ditsch-Werk bei Oranienbaum.
Matthias Hartung leitet das Ditsch-Werk bei Oranienbaum. Ilka Hillger

Oranienbaum - Matthias Hartung hat das Schlingen nicht verlernt. Er greift vom Band eine dünne Teigrolle, wirbelt sie geschickt herum und hat eine Brezel in der Hand. Das ist Sekundensache. Noch schneller als der Werkleiter von Ditsch sind nur die professionellen Brezelschlinger der Firma, die auf diese Weise um die 1 000 Brezeln in der Stunde von Hand in die perfekte Form bringen. „Das passiert auf Kundenwunsch“, so Günther Lindinger, Pressesprecher des Unternehmens.

Mit der Handarbeit am Teig lassen sich die gigantischen Produktionszahlen des hiesigen Laugenteil-Bäckers freilich nicht erreichen. 50 bis 60 Millionen werden hier jährlich produziert, Brezeln machen gut die Hälfte aus. Da müssen Maschinen ran.

Die allerneusten stehen in der neuen Produktionshalle von Ditsch, gelegen im Gewerbegebiet zwischen Dessau und Oranienbaum. Für den 40 Millionen Euro teuren Neubau musste ein Parkplatz verlegt werden. An seiner Stelle ist binnen eines Jahres der Komplex mit einer Grundfläche von 5500 Quadratmetern emporgewachsen. Dieser Tage sind in der Halle noch einige Gewerke an der Arbeit, jedoch nicht im Kern des Gebäudes, dort schlingen Roboterarme die Brezeln, 300 Meter Laufbänder ziehen sich durch den Raum.

Beliebte Lauge

„Wir präzisieren gerade die Einstellungen der computergesteuerten Anlage für all unsere Produkte“, erklärt Hartung. Im Idealfall sei dieses Feintuning in 14 Tagen ebenso beendet wie die letzten Bauarbeiten in den Nebenräumen. Dann kann der große Stolz des Brezelbäckers richtig loslegen und die Menschen weltweit mit tiefgekühltem Laugengebäck versorgen. „Wir profitieren sehr davon, dass die Lauge sehr beliebt ist“, so Lindinger. Ditsch bedient diesen Trend mit derzeit 52 Produkten, die zum größten Teil in Oranienbaum hergestellt werden. Einen kleineren Produktionsstandort gibt es mit 90 Mitarbeitern in Mainz, Gründungsort der Firma.

In Oranienbaum zählt Ditsch 500 Mitarbeiter, laut Lindinger werden weitere 60 benötigt, um mit der neuen Produktionslinie rund um die Uhr im Vier-Schicht-Betrieb arbeiten zu können. Wenn alles läuft, werden in dieser Halle 20 000 Brezeln in der Stunde hergestellt. Vom Teigrohling bis zum Karton, in dem die gefrorenen Brezeln landen, sind die Teile rund drei Stunden im Neubau unterwegs und werden dabei geknetet, geformt, gezogen und gestaucht, erhalten Ruhezeiten und Kälteschocks im Froster.

„Hier geht alles los“, zeigt Matthias Hartung an einem Ende der Halle auf große Edelstahlbehälter, in denen sich die Grundzutaten befinden. Mehl, Wasser, Salz, Öl, Backmittel - all das kommt in stets gleicher Abwiegung in den Teig. „Für eine einheitliche Teigqualität wird das nach Vorgabe maschinell gemischt“, erklärt der 44-Jährige.

Das erste Laufband der Anlage spuckt rund zehn Kilogramm schwere Teigklumpen aus. Kleine Rundlinge sind die nächste Stufe, sie wandern in den Entspannungsschrank, „hier bekommen die Kameraden etwas Zeit“. Auf Leinentüchern schaukeln sie vor sich hin. Der Werksleiter geht weiter zu den Walzen, die schlanke Teigwürste formen, und dann sind auch schon die Roboter an der Reihe, zehn Schlingarme formen die Brezeln, ein jeder 2 000 in der Stunde.

Ziehen und Strecken

Hartung erzählt, dass bis dahin die Schritte für die verschiedenen Brezelarten von Ditsch identisch sind. Erst danach lasse sich durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Laufbänder die Form beeinflussen. „Das geschieht durch Strecken, Ziehen und Stauchen.“ Manche Sorten sind runder, andere oval und schließlich habe man noch die spezielle Ditsch-Form, die es in den Filialen gibt. „Diese Einstellungen muss man sich einmal erarbeiten“, so Hartung, und in eben dieser Phase sei man gerade. Sind die Parameter programmiert, läuft hier alles nahezu von selbst.

„Was diese Halle besonders macht, ist ihre Leistungsfähigkeit.“ Jahrelange Erfahrung sei in die neue Produktionslinie eingeflossen. „Dabei haben wir genauso wie die Lieferanten der Anlage gelernt.“ Ihn mache es stolz, in welchem Tempo dies alles entstand. Rund 30 Firmen aus der Region seien am Bau der neuen Produktionshalle beteiligt gewesen.

Matthias Hartung hat selbst nahezu jeden Schritt des Wachsens am Oranienbaumer Ditsch-Standort miterlebt. Als der gebürtige Wittenberger im Juli 2000 hier anfing, war das Werk gerade ein Jahr eröffnet. Der Industriemechaniker, der sich in Rheinland-Pfalz ausbilden ließ, war in die Heimat zurückgekehrt. „Lebensmittel waren immer mein Thema“, meint er. Brezeln schlingen konnte er damals noch nicht, lernte es aber schnell - und trainiert es weiter. „Ich schlinge dann und wann mal für fünf bis zehn Minuten mit“, sagt Matthias Hartung. Diesen Handgriff verlernt man nicht, trotz Robotern.

(mz)

Die Brezeln schlingt ein Roboterarm.
Die Brezeln schlingt ein Roboterarm.
Ilka Hillger