Ausstellung im Schloss Pretzsch Ausstellung im Schloss Pretzsch: Bei Richard Albitz standen die Leute Spalier

Pretzsch - Schon in der Schule sei ihm klar gewesen, „dass das Aufsatzschreiben meine schwache Seite ist und ist es auch geblieben, weil mir ein gütiges Geschick ein anderes Ausdrucksmittel als Schreiberei (...) für Gefühle und Empfindungen an die Hand gab - die Malerei“. Dafür, dass er sich selbst das Talent zum Schreiben absprach, leitete Richard Albitz seine Ausführungen an die Bayerische Stickstoffwerke AG in Trostberg überraschend wortreich ein.
Das war im August 1935, etwa zwei Jahre nachdem der Leiter der Piesteritzer (!) Werke, Johannes Wotschke, auf einer Kunstausstellung und bei einem anschließenden Atelierbesuch auf Schloss Pretzsch mehrere Arbeiten von Albitz kennen lernte, ebenso seine „Handschrift“. „Ich darf annehmen, dass ihm diese (...) Anlass war, mich zu künstlerischer Betätigung nach dem Piesteritzer Werk zu berufen“, so Albitz weiter. Das zitierte Schriftstück legt den Eindruck nahe, dass der 1876 in Berlin geborene Albitz ehedem in der Region kein Unbekannter gewesen ist. Wer indes heute seinen Namen im Internet eingibt, landet nicht direkt viele Treffer.
Ein unterschätzter Künstler
Besonders in Pretzsch versucht man nun, Albitz wieder stärker im Bewusstsein zu verankern. Und als sich jetzt, am 31. Januar, sein Geburtstag zum 140. Mal jährte, wurde das im Schloss mit einer Albitz-Ausstellung und einem Symposium gefeiert. Letzteres ließ vermuten, dass Albitz offenbar ein bis heute unterschätzter Künstler ist. Etwa betonte der aus der Nähe von Berlin angereiste Kunsthistoriker und Galerist Winald Stöppel: „Er wird ein bisschen verkannt.“
Die Gründe dafür scheinen vielfältig. Zum einen seien zu viele Bilder von ihm auf dem Markt, „die das Naturalistische darstellen“. Dabei sei Albitz, der dem Impressionismus zugerechnet werden kann, später auch „auf dem Weg zum Expressionismus gewesen“, wie Stöppel, der vor Jahren bei Berlin eine Albitz-Ausstellung kuratiert hat, anhand einer malerischen Berliner Hofszene aufzeigte. Zum anderen gebe es bis dato kein Werkverzeichnis. Dies zusammenzutragen ist nach Stöppels Auffassung „eine schöne Aufgabe für junge Kollegen“.
Zu ihnen gehört die in Pretzsch geborene und dort lebende Kunsthistorikerin Janine Schöne. Über Albitz sagte sie, er war keine Avantgarde, aber ein „guter, gefestigter Maler und gut verhaftet im Berliner Kunstleben“.
Er bezahlte mit Kunst
Gut verankert, jedenfalls in den 1920er bis 1930er Jahren war Albitz auch in Pretzsch. Im Schloss bezog er in den Sommermonaten eine Wohnung, auch ein Atelier betrieb er dann dort (die MZ berichtete). Wie die Pretzscher den Künstler damals wohl wahrgenommen haben?
Das, so Ortschronist Erhard Dubrau, könne man sich kaum vorstellen: „Mit der Kurkapelle wurde er empfangen, die Leute standen Spalier.“ Wenn es etwas zu bezahlen galt, dann habe er dies mit Bildern getan - von einer Art „Warentausch“ sprach in dieser Hinsicht Stöppel. Besonders mit kleinen Bildern konnte Albitz demnach Geld verdienen, denn der Mehrzahl der Menschen damals mangelte es schlichtweg am Geld, um sich teure Kunstwerke kaufen zu können.
Mit vielen Techniken vertraut
Kleine Bilder, zumeist Öl auf Karton, mit Motiven auch aus der Region finden sich in der am Sonntag eröffneten Ausstellung. Darüber hinaus sind einige Reproduktionen von Radierungen zu sehen, die Albitz etwa für das Pretzscher Schul- und Heimatfest 1927 gefertigt hatte, sowie Reproduktionen von Werbeschriften. Letztere zeigen, dass er, wie Schöne hervorhob, auch mit druckgrafischen Techniken und Typografie vertraut war.
Präsentiert wird die Ausstellung bis April 2016 im Erdgeschoss des Schlosses: etwa 40 Werke des Berliners, der seine Brötchen bis zum Ruhestand 1924 zunächst bei der Post verdiente - zuletzt als Obertelegrafeninspektor. Was seine künstlerische Laufbahn betraf, so besuchte Albitz in Berlin die Kunstgewerbeschule, studierte bei dem Maler Hans Hartig und war, obwohl ihn maßgebliche Künstlergruppen (Stichwort: Berliner Secession und Max Liebermann) nicht aufnahmen, Mitglied in anderen wichtigen Künstlervereinen.
Nachfahren vor Ort
Was die eingangs zitierten Ausführungen betrifft: Sie firmierten unter der Überschrift „Wie sieht ein Kunstmaler unsere Arbeitsstätten“? Richard Albitz, der 1954 in Berlin starb, war eingeladen, bei der Ausgestaltung von Gemeinschaftsräumen zu helfen. Eine Kopie des Artikels hatte jetzt der Enkel des Künstlers, Rainer Albitz, mitgebracht. Albitz, Jahrgang 1948, hatte voriges Jahr 25 Werke des Großvaters als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Hamburger war in Begleitung von Nachfahren aus der ersten Ehe des Malers, den Urenkeln Joachim und Heino Ackl, angereist. Deren Mutter Brigitte hatte gelegentlich die Sommerferien bei Albitz in Pretzsch verbracht.
Im einstigen Atelier erinnerte am Sonntag die Projektion eines Fotos an diese Aufenthalte. Später, so Joachim Ackl, der wie Rainer Albitz mit im Podium saß, habe die Mutter den Kontakt zu Erhard Dubrau nach Pretzsch gesucht (siehe „Seltene Einblicke ins Quartier“). (mz)
