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Medizinische Versorgung in Sachsen-Anhalt Ärztemangel im ländlichen Raum beschäftigt Forum in Wittenberg

Vielerorts ist es schwer, einen Hausarzt zu finden. Oft müssen Patienten lange auf einen Termin warten. Der Mangel an Landärzten ist ein Thema beim Forum „Euripa“ in der Stiftung Leucorea in Wittenberg. Welche Lösungsansätze es geben könnte.

Von Corinna Nitz 10.07.2025, 10:37
Professor Thomas Frese (vorn) ist Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ende Juni war das Institut Gastgeber des Ärzteforums Euripa. Dazu waren mehr als 100 Teilnehmer aus dem In- und Ausland in die Stiftung Leucorea in Wittenberg gekommen.
Professor Thomas Frese (vorn) ist Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ende Juni war das Institut Gastgeber des Ärzteforums Euripa. Dazu waren mehr als 100 Teilnehmer aus dem In- und Ausland in die Stiftung Leucorea in Wittenberg gekommen. (Foto: Alexander Bauer/Institut) für allgemeinmedizin

Wittenberg/MZ. - „Wir nehmen im Moment keine neuen Patienten an.“ Ein Satz, mit dem sich mancher bei der Suche nach einem Hausarzt auch im Kreis Wittenberg schon konfrontiert sah. Doch damit stehen die Menschen hier nicht allein. Landarztmangel ist ein internationales Problem, wie kürzlich ein Forum in Wittenberg zeigte. Entsprechend international wurden in der Stiftung Leucorea Lösungen gesucht. 1 Das Forum. Es firmiert unter dem Namen Euripa, was für European Rural and Isolated Practitioners Association steht und ein Netzwerk von Ärzten, Wissenschaftlern und Organisationen aus dem ländlichen europäischen Raum repräsentiere. Die Mitglieder stammen aus zahlreichen europäischen Ländern. Auch einzelne Vertreter aus Kanada oder Australien wirken den Angaben zufolge an dem Netzwerk mit, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern und weiterzuentwickeln. Die Geschichte von Euripa reiche bis in die 1990er Jahre zurück. Seit gut 20 Jahren findet das Forum jährlich in wechselnden europäischen Ländern statt.2 Die Gastgeber. Ausgerichtet wurde das jüngste Forum vom Institut für Allgemeinmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit dessen Leiter Prof. Thomas Frese. Es fand vom 26. bis 28. Juni in der Stiftung Leucorea in Wittenberg statt. Nach Institutsangaben wurden 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien, Polen und diversen anderen Ländern begrüßt. 3 Das Programm. Unter anderem gab es Fachvorträge zu aktuellen Themen wie Digitalisierung, Telemedizin, Nachwuchsgewinnung und Versorgungsgerechtigkeit. Ein zentrales Thema des Forums war Frese zufolge der akute Mangel an Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern in ländlichen Regionen, der nicht nur Deutschland betreffe. 4 Die Ergebnisse. Wie es auf Nachfrage heißt, sind die Ansätze zur Lösung der genannten Probleme vielfältig. Demnach wurde in Tschechien ein nationales Rekrutierungsprogramm ins Leben gerufen, das gezielt junge Ärztinnen und Ärzte für unterversorgte Regionen gewinnen soll. Es kombiniere finanzielle Anreize, eine praxisnahe Ausbildung direkt an ländlichen Standorten und persönliche Begleitung durch Mentoring. Großbritannien, Ungarn und Norwegen setzen den Angaben zufolge zunehmend auf mobile, telemedizinisch unterstützte Versorgungsmodelle. So würden mobile Sprechstunden durch Pflegekräfte organisiert und durch digitale Tools ergänzt, die eine kontinuierliche Betreuung und strukturierte Vorsorge ermöglichen.5 Das besondere Beispiel. Als besonders spannendes Beispiel wird aufseiten der Gastgeber Frankreich genannt mit dem Konzept der „Communautés Professionnelles Territoriales de Santé“. Dabei handele es sich um lokale Netzwerke verschiedener Gesundheitsberufe, die übergreifend zusammenarbeiten, gemeinsame Versorgungskonzepte entwickeln und Notfallpläne erstellen. Solche regional verankerten Netzwerke könnten auch in Deutschland helfen, vorhandene Ressourcen besser zu bündeln – insbesondere in strukturschwachen Regionen. Allerdings wären dafür rechtliche und finanzielle Anpassungen notwendig. Insgesamt, so schlussfolgern die Experten, ließen sich viele Ansätze auf Deutschland übertragen – zum Beispiel der Ausbau digitaler Versorgungsangebote oder die gezielte Förderung des Aufbaus fachübergreifender Teams. Frese: „Damit diese Strategien greifen können, sind jedoch (koordinierte) politische Maßnahmen, eine Ausweitung regionaler Netzwerke sowie eine nachhaltige Weiterentwicklung der ländlichen Infrastruktur notwendig.“6 Die Politik. Aus Magdeburg war Staatssekretär Wolfgang Beck vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung nach Wittenberg gereist. Nach Erkenntnissen aus dem Forum gefragt, wird Beck von einem Ministeriumssprecher mit dem Satz zitiert: „Das Treffen in Wittenberg hat deutlich gemacht, dass viele Länder vor ähnlichen Herausforderungen bei der hausärztlichen Versorgung stehen wie Sachsen-Anhalt.“ Der internationale Austausch biete die Chance, von erfolgreichen Modellen zu lernen und Fehler anderer zu vermeiden. Sachsen-Anhalt sei „mit der Telemedizin, der Land- und Amtsarztquote sowie verbesserten Arbeitsbedingungen auf einem guten Weg, die medizinische Versorgung nachhaltig zu stärken“.7 Die Lage im Land. Wie Martin Bollmann, Pressesprecher im Gesundheitsministerium, gegenüber der MZ erklärt, werden in Sachsen-Anhalt bis 2035 im Bereich der ärztlichen Versorgung, im Wesentlichen der hausärztlichen Versorgung, geschätzte 4.200 bis 4.450 Ärztinnen und Ärzte benötigt. Um die Versorgung besonders in ländlich geprägten Gebieten sicherzustellen, müssten angehende Ärzte nicht nur im Land ausgebildet, sondern auch gebunden werden: „Die Kombination aus Nachwuchsförderung, attraktiven Arbeitsbedingungen und langfristiger Bindung ist der Schlüssel zu einer zukunftsfesten Gesundheitsversorgung.“ Als erfolgreiches Modell, um Fachkräftenachwuchs zu binden, wird besagte Landarzt- und Amtsarztquote bezeichnet.