1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Artistenfamilie trifft sich in Reinsdorf: Artistenfamilie trifft sich in Reinsdorf: Zirkusleute erinnern sich an alte Zeiten

Artistenfamilie trifft sich in Reinsdorf Artistenfamilie trifft sich in Reinsdorf: Zirkusleute erinnern sich an alte Zeiten

Von Karina Blüthgen 11.04.2016, 17:23
Die Organisatorinnen des Treffens: Margrit Lipinski (links) und Marina Boden.
Die Organisatorinnen des Treffens: Margrit Lipinski (links) und Marina Boden. Klitzsch

Reinsdorf - „Hier können alle in Erinnerungen schwelgen und alte Geschichten erzählen“, weiß Wolfgang Bergmann um den Reiz der Zusammenkunft in der Hohen Mühle. Hier in Reinsdorf trifft sich einmal im Jahr, was früher in Varietés und in Zirkusmanegen auftrat. Auch Wolfgang und Birgit Bergmann haben eine 45-jährige Artistenvergangenheit. Im Gegensatz zu vielen Kollegen sind die Wittenberger noch aktiv, bieten Porträtscherenschnitte, Puppentheater und Kinderprogramm. Eine Tournee zur Wendezeit gab den Anstoß.

„Wir waren in Bayern, anlässlich 500 Jahre Post von Thurn und Taxis“, erinnert sich Bergmann. „Das war eine Sternfahrt, und wir haben, wenn die Postkutsche in die Stadt fuhr, Marktgaukeleien gemacht.“ Diese Idee haben sie weiter verfolgt, so kurz vor dem Ruhestand sind anstrengende Akrobatik am Perch oder Wurfsalti ohnehin nicht mehr drin.

Am Sonntag ist das Haus in Reinsdorf voll. Für die Organisatorinnen Margrit Lipinski aus Zörnigall und Marina Boden aus Wittenberg ist es jedes Mal ein Kraftakt, aber das Resultat entschädigt für die Mühe. „Erst haben hundert zugesagt, nun sind es doch wieder fast 140 geworden“, freut sich erstere über die Resonanz der ehemaligen Kollegen. Diese genießen den von den Wittenbergern gebackenen Kuchen und sind für Stunden in Gespräche und Fotos vertieft.

Einer fällt in der Runde auf: Peter Johnson. Mehrmals war er schon in Reinsdorf, „doch von allen hier kenne ich höchstens vier Leute. Als ich im Zirkus aktiv war, gab es fast keine farbigen Artisten“. Oft sei er angefasst worden ob seiner dunkleren Hautfarbe, erinnert sich der heute 76-Jährige, der in Berlin geboren ist. „Mein Vater war ganz schwarz, er stammte aus Liberia“, erzählt er. In Deutschland habe sein Vater, als er eine Zeit lang in einer Roma-Gruppe lebte, das Feuerschlucken gelernt. Damit ist er durch Deutschland getourt und später im Zirkus Sarrasani aufgetreten. Er, Peter, habe eine Ausbildung zum Artisten absolviert und ist gemeinsam mit Vater und Schwester als „Die Johnsons“ in Varietés aufgetreten.

Doch schon 1958 hängte er das Artistenleben an den Nagel, heiratete in Ohrdruf und arbeitete in einer Fabrik. „Wer weiß, was aus mir geworden wäre, wäre ich dabei geblieben“, sinniert er. „Es war eine schöne Zeit im Zirkus, aber das Aufhören habe ich nicht bereut.“ Seine Schwester Daisy, 1928 geboren, hat mit Heinz Rühmann 1944 in „Quax in Afrika“ vor der Kamera gestanden. (mz)