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Angreifer muss ins Gefängnis Angreifer muss ins Gefängnis: Wurde der Nazi von einer Oma verprügelt?

Von Julius Jasper Topp 25.11.2019, 08:01
Ein Bad Schmiedeberger soll eine Schaustellerfamilie beschimpft und angegriffen haben. Verletzt wird dabei nur er. Nun muss er ins Gefängnis.
Ein Bad Schmiedeberger soll eine Schaustellerfamilie beschimpft und angegriffen haben. Verletzt wird dabei nur er. Nun muss er ins Gefängnis. Symbolfoto/CC0

Wittenberg - Ein 38-jähriger Bad Schmiedeberger aus dem rechtsextremen Spektrum stand am Donnerstag vor dem Wittenberger Amtsgericht, weil er eine Schaustellerfamilie angegriffen, verletzt und beschimpft haben soll. Verurteilt wird er am Ende dafür nicht - muss aber trotzdem ins Gefängnis.

Streit wegen Lamas

Zunächst zurück in das Jahr 2017, auf eine Festwiese in Bad Schmiedeberg, wo der Zirkus seine Zelte aufgeschlagen hatte. Zwei Versionen gibt es von dem, was sich hier zugetragen hatte. In beiden ist der unter anderem wegen diverser Gewalt- und Diebstahlsdelikte zwanzigfach vorbestrafte, vor kurzem wieder aus der Haft entlassenen Gustav W. (Name geändert) verprügelt worden. Er ist der Angeklagte in diesem Prozess. Unstrittig ist auch, dass zwei Lamas zum Streit führten.

Laut Anklage soll Folgendes passiert sein: Gustav W. fährt mit zwei Kollegen zu seiner Garage am Rande der Festwiese. Daneben sind zwei Lamas angebunden, die Gustav W. offensichtlich stören. So soll er zum Wohnwagen der Schausteller gelaufen sein, dagegengetreten und „Zigeunerpack“ geschrien haben.

Im Wagen - so beschreiben es die Zeugen - sollen sich die beiden Großeltern, die etwa 30-jährige Mutter und deren Kinder aufgehalten haben. Die Kinder hätten Angst bekommen, daraufhin sei der Großvater nach draußen gegangen, „um zu schlichten“, wie er im Zeugenstand aussagt. Soweit decken sich die Aussagen der Schausteller und von Gustav W. auch - doch nun gehen die Geschichten auseinander.

Gustav W. sagt: Er habe sich wegen der Lamas beschwert und sei dann von den Söhnen der Familie zusammengeschlagen worden.

Die Schaustellerfamilie sagt hingegen aus, dass der Angeklagte den 70-jährigen Großvater schubste, dieser im Fallen nach W.’s Jacke griff und ihn mit zu Boden zog. Dort rangelten die beiden. Der Großvater habe es angesichts des weitaus jüngeren und stärkeren Kontrahenten mit der Angst zu tun bekommen. „Wenn der vom Boden hochkommt, macht der mich tot“, habe er damals gedacht.

Großmutter schlägt zu

Nun sei die heute 63-jährige Ehefrau aus dem Wohnwagen gekommen, habe ihren Mann auf Gustav W. liegen sehen und und sich mit ins Gerangel geworfen. Sie habe ebenfalls versucht den um sich schlagenden Gustav W. niederzuhalten und ihm dabei mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt.

Beide sagen im Zeugenstand aus, selbst kaum Verletzungen davongetragen zu haben, während der Angeklagte mit einem zugeschwollenen Gesicht aus dem Kampf hervorgeht. Die Söhne seien nicht in Reichweite gewesen. Der Kampf endet schließlich damit, dass Gustav W. ruft: „Ich geb’ auf, ihr habt gewonnen“ und die Schausteller von ihm ablassen. Danach soll er der Familie, auch den Kindern, mit einer zur Pistole geformten Hand gedroht haben, dass er mit 50 Nazis wiederkomme und alle abknalle. Das bestreitet Gustav W. allerdings. „Ich würde nie Kinder bedrohen“, sagt er.

Dass es am Ende kein Urteil gibt, sondern das Verfahren eingestellt wird, liegt daran, dass der Angeklagte auf einen Deal mit der Staatsanwältin eingeht und daran, dass der Vorwurf der Körperverletzung nur schwer haltbar ist, da die Geschädigten kaum Blessuren davongetragen haben.

Gustav W. verzichtet dafür auf eine Berufung in einem anderen Verfahren, in dem er wegen Gewaltdelikten und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu anderthalb Jahren Haft verurteilt wurde. Er wollte eigentlich eine Bewährungsstrafe erreichen, um in Freiheit eine Therapie beginnen zu können. (mz)