Altstadt in Wittenberg Altstadt in Wittenberg: Was hat das City-Management bisher gebracht?

Wittenberg - Es ist keine Schande, in diesen Zeiten im Homeoffice zu sein, ganz im Gegenteil verlangt der Gesetzgeber dies ja sogar. Manch einem etwas zu virtuell allerdings ist die Präsenz des City-Managements, das in Wittenberg am 1. August im Corona-Jahr 2020 installiert worden ist.
Binnen drei Jahren soll es die Belebung der Altstadt befördern. Auftraggeber des bundesweit tätigen Unternehmens „Stadt + Handel“ ist die Stadt Wittenberg, die sich dank Fördermitteln ein City-Management im Umfang von 14 Wochenstunden leisten kann.
Dass die beiden City-Managerinnen - Annika Heinlein (Projektleitung) und Carolin Bernhardt - parallel noch an weiteren Projekten, für andere Kommunen arbeiten, war von Anfang an bekannt. Bernhardt etwa ist auch Quartiersmanagerin in Dessau. Dass das obligatorische „Netzwerken“ am neuen Ort in Corona-Zeiten nicht so einfach ist wie sonst, lässt sich nachvollziehen.
Für die Zeit nach dem Lockdown hoffen Heinlein und Bernhardt, wie sie betonen, wieder auf mehr Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Immerhin aber habe man sich dank der Weihnachtsbaum-Aktion des Gewerbevereins, bei der man mitgemacht habe, bei gut 70 Händlern vorstellen können.
Liste mit Vorbild
Auf der für alle sichtbaren Haben-Seite des jungen City-Managements stehen bisher insbesondere die Auftaktveranstaltung im Oktober und eine Auflistung der Aktivitäten örtlicher Geschäfte während des Lockdowns - bei letzterer habe man sich, so Bernhardt, an der Übersicht orientiert, die es für die Gastronomie bereits gibt, erstellt seinerzeit von der Touristen-Info und ebenfalls auf der Homepage der Stadt zu finden.
Die Einkaufsliste der Online-Alternativen umfasst knapp 20 Anbieter. „Natürlich wäre eine höhere Teilnahme immer toll“, sagt Bernhardt, bezeichnet die Resonanz aus ihrer Erfahrung heraus aber als „gut“. Im Januar habe man zudem damit begonnen, so Heinlein, den Einzelhändlern per Mail Tipps für eine gelingende Präsentation zu geben, etwa bei Video-Shopping und Schaufenstergestaltung; hierfür sei „kein Riesenbudget nötig“.
Groß aber ist die Ungeduld. Der Wittenberger Gewerbeverein, in dessen Haus am Markt auch das City-Management ansässig ist, zeigt sich wenig begeistert von den Neuen. „Es gibt keine“, sagt Vorsitzender Thomas Schneider auf die Frage nach der Zusammenarbeit. Warum? Weil „eigentlich nichts passiert“.
Der Modehändler, der wie so viele in der Branche derzeit versucht über die Runden zu kommen, weiß, dass es gerade eine „extrem schwierige Zeit“ ist, er vermisse allerdings gleichwohl „greifbare Ergebnisse“ oder „Ansätze“ dazu. „Ich habe das Gefühl, man kann das City-Management nicht an irgendetwas messen“, kritisiert Schneider - damit auch die Stadt. Er jedenfalls würde sich eine „klare Zielgebung“ wünschen, auch „Kontrollmechanismen“. Tipps zur Online-Präsentation oder Schaufenster-Aktionen gehörten indes nicht zur Aufgabe von City-Management.
Das findet die Stadt, die sich mit „Stadt + Handel“ etwa alle sechs Wochen zum Jour fixe trifft, aber schon. Ausdrücklich nennt Bürgermeister Jochen Kirchner im MZ-Gespräch die Auflistung der Läden als Beleg für bislang Geleistetes. Und alles in allem, versichert er ohne zu zögern, sei man mit der Arbeit von „Stadt + Handel“ sehr zufrieden. „Die sind gut vernetzt innerhalb Deutschlands“, verweist er auf Vorschusslorbeer, von dem nun auch die Lutherstadt zu profitieren hofft.
Gleichzeitig lässt er durchblicken, dass man sich auch in der „derzeit schwierigen Situation“ neue „Vorschläge und Strategien“ erwarte und eine „noch bessere Vernetzung“. Andererseits funktionierten Vorschläge wie besagte Schaufensteraktion auch „nur so gut, wie alle mitmachen“.
City-Management sei der „Knoten“, in dem alle Aktivitäten pro Altstadt zusammenlaufen sollen. Ähnlich sehen das die City-Managerinnen selbst. „Der Prozess muss gemeinschaftlich gestaltet werden“, so Heinlein. „Wir sind dazu da, Kontakte herzustellen“, und „abhängig vom Engagement der städtischen Akteure“, sagt Bernhardt. „Wir sind eigentlich nicht diejenigen, Projekte zu realisieren“, formuliert sie vielmehr den Anspruch „Hilfe zur Selbsthilfe“ - „denn nach drei Jahren sind wir ja nicht mehr da“.
Geschäfte zu Wohnungen?
Netzwerkarbeit und Leerstandsmanagement sehen die City-Managerinnen als ihre vordringlichen Aufgaben in nächster Zeit. Beim Leerstand gehe es darum „aufzuzeigen, was mit so einer Immobilie möglich ist“, sagt Bernhardt und verweist etwa auf „Zwischennutzungen“. Auch die Stadt selbst sieht sich beim der Leerstandsproblem in der Pflicht: Womöglich ließen sich Gewerbeobjekte in Ic-Lagen zu Wohnungen umwandeln, so Kirchner.
Hoffnungen verbinde er zudem mit einem neuen Förderprogramm des Bundes, aus dem sich unter Umständen auch Mittel fürs City-Management selbst schöpfen ließen, sei es hinsichtlich der Stundenzahl - mehr als 14 geben die bisherigen Fördermittel eben nicht her -, sei es zur Einrichtung eines Verfügungsfonds, also eines gemeinsamen Topfes, aus dem dann Projekte finanziert werden könnten. „Wir müssen alle richtig Gas geben für den Einzelhandel“, sagt Jochen Kirchner. (mz)
