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Altstadt in Wittenberg Altstadt in Wittenberg: Online suchen - lokal kaufen

Von Irina Steinmann 30.05.2018, 13:17
Pro Altstadt, von links: Diana Behrendt, Hans Schubert, SPD-Ortschef Thomas Merten und seine Stellvertreterin Henrike Heierberg
Pro Altstadt, von links: Diana Behrendt, Hans Schubert, SPD-Ortschef Thomas Merten und seine Stellvertreterin Henrike Heierberg Thomas Klitzsch

Wittenberg - Halbvoll? Halbleer? Das bleibt eine Frage des Standpunkts, doch ist in die Debatte um den Zustand der Wittenberger Innenstadt unüberhörbar Bewegung gekommen. Initiativen, den Leerstand zu verringern und die Attraktivität des Geschäftsviertels zu erhöhen, gibt es nicht erst seit gestern, doch sind sowohl deren Lautstärke als auch greifbare Ergebnisse zu gering, um die wohlfeilen und teils auch unangebrachten Klagen zu übertönen.

Nach den Parkplätzen in den 90ern, den uneinheitlichen Öffnungszeiten, den zu kleinen Geschäftsräumen, schließlich der Ankunft des „Arsenals“ 2012 und zuletzt wieder den vermeintlich fehlenden Abstellmöglichkeiten für Autos bis hin zur Forderung nach einem zweiten (!) Parkhaus für diese kleine Stadt hat man nun im Internet einen Hauptfeind ausgemacht. Da ist freilich etwas dran, wie jeder an seinem eigenen Kaufverhalten überprüfen darf.

Antrag noch im Juni

Das Problem der Konkurrenz aus dem Netz nimmt eine Initiative der SPD auf, die Ende 2017 erstmals vorgestellt wurde, jetzt aber offenbar zum Antrag gereift ist.

Noch vor der Sommerpause, also in der Juni-Sitzung des Stadtrats, wollen die Wittenberger Sozialdemokraten ihrem Vorsitzenden Thomas Merten zufolge im Rat den Antrag stellen, dass die Stadtverwaltung sich um eine Vernetzung von Online- und stationärem Handel kümmert. Laut Merten, der selbst nicht dem Stadtrat angehört, sich aber seit langem mit dem Thema beschäftigt, möchte seine Partei die Verwaltung dazu bewegen, der Initiative „lokal und digital“ des Online-Auktionshauses eBay beizutreten oder aber aus eigener Kraft eine solche Plattform für die heimischen Händler bereitzustellen.

„Der Stadtrat fordert den Oberbürgermeister auf, im Rahmen der Wirtschaftsförderung ein Konzept für die Vernetzung von lokalem Einzelhandel und Onlinehandel z. B. über einen Online-Marktplatz zu erstellen“, heißt es im Antragsentwurf, der der MZ vorliegt, Merten zufolge allerdings noch Rohfassung ist.

Produkte online finden und vor Ort - in der Altstadt - abholen, so lautet die Devise von „lokal&digital“, wie sie seitens eBay in Deutschland unter anderem in den Städten Diepholz (Niedersachsen; etwa 16.000 Einwohner) und Mönchengladbach (NRW; 260.000) erprobt wird.

In Diepholz, so Merten, habe die Auswertung ergeben, dass nach Ablauf der Pilotphase etwa ein Drittel der Händler weiter mitmacht; ein weiteres Drittel pflege und nutze seinen Internet-Auftritt „lokal&digital“ nur bedingt und ein Drittel sei wieder ausgestiegen.

Hans Schubert von der Wittenberger Marketingagentur „NetworkOffice“, der zudem in der Altstadt selbst einen Laden betreibt, steht dem Vorschlag der SPD „grundsätzlich positiv“ gegenüber: „Dass wir das machen müssen - unbenommen. Und nicht erst in fünf Jahren.“

Aus Kostengründen würde er allerdings statt eBay eine (stadt-)interne Lösung bevorzugen, sagte das Mitglied des Wittenberger Gewerbevereins im MZ-Gespräch. Wie wohl viele seiner Einzelhandelskollegen hat er für seine mit Partnerin Diana Behrendt betriebene „Station 29“ zwar eine Homepage aber keinen Online-Shop.

„Die Leute sollen ja in die Altstadt kommen“, begründet dies Behrendt. Lieferservice gehöre für sie allerdings bereits jetzt zum Geschäft - und sei der Kauf noch so klein. „Station 29“ führt Sachen, die man nicht unbedingt braucht - aber gern hat.

Offener Brief

Unterdessen geht in der Debatte um den Zustand der Wittenberger Altstadt das halböffentliche Briefeschreiben munter weiter. In einem „Offenen Brief“ an Politik und Wirtschaft möchte Schubert, der zu denen gehört, die das sprichwörtliche Glas lieber halb voll sehen statt halb leer, noch in dieser Woche eine Verteidigung der Altstadt starten, die er wie berichtet zu Unrecht schlechtgeredet sieht.

Der unerschütterliche Optimist erhebt in dem Schreiben allerdings ebenfalls Forderungen an die Stadt: Notwendig sei ein „Einzelhandelskonzept inklusive Leerstandsmanagement“ - auch dies im Übrigen Ergebnis einer Umfrage samt diverser „Analysen“, die die Arbeitsgruppe Altstadt innerhalb des Gewerbevereins im vergangenen Jahr in Schuberts Regie durchgeführt hatte.

Dass die „Station 29“ in Kürze (und nach kurzer Zeit) einen neuen Nachbarn bekommt - dem Vernehmen nach ein Kinder- und Familiencafé mit Shop als Nachfolger vom Lichthaus Wenger - zeige ihm, dass einiges in Bewegung ist. Im Herzen der Stadt. (mz)