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Adventsserie Adventsserie: Türchen 22: Die Mama des Vereins

Von Corinna Nitz 21.12.2016, 15:26
Im Dezember öffnen sich die Türchen vom Adventskalender der Mitteldeutschen Zeitung Wittenberg und Jessen.
Im Dezember öffnen sich die Türchen vom Adventskalender der Mitteldeutschen Zeitung Wittenberg und Jessen. Symbol/cco

Wittenberg - Am Sonntag, es war der vierte Advent, ist Minna Kisselmann sehr früh aufgestanden. Über 100 Piroggen mit verschiedenen Füllungen hat sie zubereitet, am späten Nachmittag waren alle Teigtaschen weg - verspeist von den Besuchern der russischen Weihnachtsrevue „Ivushka“ in der Phönix Theaterwelt Wittenberg.

In der Vorstellungspause hatte Kisselmann im Foyer den Stand der Deutsch-Russländischen Gesellschaft (DRG) übernommen, der Verein war nicht nur Veranstalter der Revue (übrigens zum wiederholten Mal), er hat auch erneut für das Catering in der Pause gesorgt.

Unter anderem gab es Tee aus dem Samowar, die Piroggen aus Kisselmanns Küche und Kuchen etwa aus dem Hause Wehmeier.

Heinz Wehmeier ist Projektleiter der DRG, Minna Kisselmann bezeichnet er als „die Mama des Vereins“. Das könnte auf ihr Alter gemünzt sein, mehr noch aber wohl auf die Einsatzbereitschaft der 66-Jährigen. Denn was sie früher im Rahmen von geförderten Maßnahmen für die DRG geleistet hat, macht sie, seit sie in Rente ist, ehrenamtlich weiter.

Auf den Tisch kommt bei uns vieles. Ich brate Ente, koche Glühwein und mache unterschiedliche Salate. In manchen Jahren mache ich auch Hähnchen statt Ente. Traditionell gibt es bei uns auch Streuselkuchen.

Weihnachten ist für mich ein sehr wichtiger Feiertag, weil Christus geboren ist und ich glaube an Christus. Zu Weihnachten gehe ich in die Kirche.

Nicht verzichten möchte ich auf die Kinder. Sie kommen und bringen die Enkel mit. Zusammen fahren wir zu meiner Schwester nach Gräfenhainichen.

Die größte Weihnachtskatastrophe ist für mich, wenn die Leute feiern, sie aber gar nicht wissen, was Weihnachten ist. Das ist schlecht. Und es ist eine Katastrophe, dass die Leute vom Glauben weggehen.

Darüber hinaus sei sie ein „Musterbeispiel, was Integration bedeutet“ (Wehmeier). Sie bleibe nicht in ihrer „Subkultur“, sondern bringe sich aktiv ins Vereinsleben ein, ja, sie lese sogar Tageszeitung, was nicht selbstverständlich sei, weil es ja auch das Beherrschen der deutschen Sprache voraussetzt.

Die so Gelobte kam vor elf Jahren aus Kirgistan nach Deutschland. Mit Mann und Kindern folgte sie der eigenen Mutter, einer Wolgadeutschen, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach Wittenberg gekommen war. In der alten Heimat in Mittelasien hat Kisselmann nahe der kirgisischen Hauptstadt Bischkek als Krankenschwester gearbeitet.

In Deutschland habe sie als erstes einen sechsmonatigen Deutschkurs besucht - und dann das Arbeitsamt. Sie war in Maßnahmen im Augustinuswerk, später auch bei Vereinen wie der historischen Stadtwache und den Waschweibern und last but not least bei der DRG, in deren Büro bis heute Frauen aus Weißrussland und der Ukraine arbeiten.

Kisselmann sagt: „Wenn man arbeitet, spricht man und dann lernt man besser deutsch.“

Deutsch gesprochen wurde einst auch im Elternhaus, erst später, mit dem Umzug nach Kirgistan, Minna war sieben Jahre alt, wurde Russisch gelernt. Die Mutter habe zudem „deutsch gekocht“, auch zu Weihnachten. Weil es lange keine Kirche gab, in der man sich versammeln konnte, wurde zu Hause „gebetet und gelesen“.

Sie haben sich „heimlich bei der Großmutter versammelt“ - zu Sowjetzeiten, man vergisst das leicht, war das Praktizieren der Religion zeitweise verboten. Anfang der 1990er Jahre hätten dann evangelische Christen aus Hannover eine Kirche in Belowodsk bei Bischkek aufgebaut, da sei auch sie, Kisselmann, hingegangen.

In Wittenberg besuche sie die Gottesdienste der Baptisten in der Friedrichstraße, der Prediger komme dazu aus Wolfen. Zu Weihnachten fahre man allerdings traditionell nach Gräfenhainichen zur Verwandtschaft. Öffentlich aktiv wird Minna Kisselmann selbst das nächste Mal Mitte Januar 2017, dann wird sie für eine Mitgliederveranstaltung der Deutsch-Russländischen Gesellschaft Wittenberg Pelmeni herstellen.

Im März erwarten sie erneut den Starpianisten Michael Legotsky zum Konzert in der Malschule der Cranach-Stiftung und auch das dürfte nicht ohne kleine kulinarische Köstlichkeiten aus Kisselmanns Küche abgehen. (mz)

Pausenversorgung zur „Ivushka“-Aufführung in der Phönix Theaterwelt: Wenn die Deutsch-Russländische Gesellschaft Wittenberg Unterstützung braucht, lässt Minna Kisselmann sich nicht lange bitten.
Pausenversorgung zur „Ivushka“-Aufführung in der Phönix Theaterwelt: Wenn die Deutsch-Russländische Gesellschaft Wittenberg Unterstützung braucht, lässt Minna Kisselmann sich nicht lange bitten.
Thomas Klitzsch