Adventsserie 2016 Adventsserie 2016: Türchen 3: Corinna Kohnert hat Zauberspruch immer parat

Kemberg - Die Zähne haben den Ausschlag gegeben. Damit hat alles angefangen, sagt Corinna Kohnert und zeigt mit einem wunderbar breiten herzlichen Lachen ihre Zähne. Doch diese sind es gar nicht, die sie meint. Es ist das Gebiss, das ihr eine Freundin, eine Zahnärztin gebastelt hat.
Mit diesem Krumm- und Schief- und Überbiss und einer Verkleidung, in der sie nicht erkannt wurde, hatte sie vor einigen Jahren den Kemberger Karneval besucht und prompt als schönste Putzfrau von Sachsen-Anhalt den ersten Platz fürs beste Kostüm bekommen. Als sie bei der Preisverleihung das Publikum auch noch mit einer tollen Rede begeisterte, war sie schon „gebucht“. Jedes Jahr hat die 49-Jährige nun ihren Auftritt, gehört zum Verein.
Wie ebenso zum Verein „Lebenszeiten“, den die meisten wohl eher als Kemberger Mittelalterverein kennen, der beim Wittenberger Stadtfest mit Kirchenmodell und Hexenwagen unterwegs ist. „Ich wollte nicht nur eine Hexe auf dem Wagen sein, ich wollte ein bisschen Action“, erinnert Corinna Kohnert sich. Also trug und trägt sie jedes Jahr im Juni zum entstellenden Gebiss und ihrem schmuddeligen Hexenkostüm Hühnerkralle und Holzeimer mit „Weihwasser“ und hat freche Zaubersprüche parat.
„Das kommt immer gut an“, versichert sie lachend. Obwohl sich manchmal doch die eine oder andere Ehefrau ein wenig mehr Zurückhaltung seitens der Hexe wünschte, wenn diese dem Mann an ihrer Seite sehr nahe kommt. „Aber da geht mein Temperament mit mir durch“, erklärt sie, das dürfe man ihr nicht nachtragen. Oft wüssten die Zuschauer sowieso nicht, wer sie sei und würden sie im normalen Leben nicht wiedererkennen.
Auf den Tisch kommen am Heiligabend Kartoffelsalat und Würstchen. Das ist bei uns so Tradition. Früher gab es auch Mohnmilch, das stammt aus dem Sudetendeutschen. Aber da ist der Aufwand sehr hoch.
Weihnachten bedeutet für mich normalerweise Besinnlichkeit. Aber es ist immer auch Stress, weil alles passen soll. Vor allem bedeutet Weihnachten Familie, Zuhausesein. Urlaub über Weihnachten käme für mich nicht in Frage.
Nicht verzichten möchte ich zur Advents- und Weihnachtszeit auf Kerzenschein - den ich aber auch sonst liebe - und dann natürlich auf den Weihnachtsbaum, den ich am liebsten selber schmücke oder zumindest auf bestimmte Anordnungen der Kugeln und so achte.
Die größte Weihnachtskatastrophe wäre, wenn mir der Festtagsbraten - das ist bei uns Kaninchen - anbrennen würde. Ich bin Perfektionistin, da darf so etwas nicht passieren.
In dem ist sie selbständige Hauskaufberaterin bei Town und Country Haus in Wittenberg. Doch neben dieser Aufgabe als Handelsvertreterin frönt sie ihrer kreativen Ader. „Das Kreative steckt schon immer in mir drin“, erzählt sie. Gemalt hat sie als Kind und Jugendliche und damit die Aufnahmeprüfung an der Burg Giebichenstein bestanden.
Aber dann hieß es, man habe keinen Internatsplatz und für sie aus Rotta sei die Anreise zu kompliziert. „Blieben noch Kohle, Chemie und Landwirtschaft zur Auswahl“, blickt sie auf ihre Berufswahl zurück. „Statt Designerin bin ich dann Großflächen-Designer geworden“, sagt sie und der Schalk lacht aus ihren Augen, weil sie damit den Tagebauingenieur bezeichnet.
Nach der Wende bildete sie sich im Baubereich weiter, war da auch einige Jahre tätig, um sich dann im Floristischen zu schulen. Mit der „Blühenden Fantasie“, die sie am 04.04.04 in Kemberg eröffnete, erfüllte sie sich einen Traum. Kreative Ideen mit viel Naturmaterial umzusetzen, darin blühte sie auf.
Dass ihr Lädchen in einem Fachwerkhaus und ihr Umgang mit Kräutern ein klein wenig die Kräuterhexe assoziierten? Sie nimmt’s mit einem Schmunzeln hin. Dass sie auf Mittelaltermärkten mit Floristik wirkte? Lachend winkt sie ab. Auch wenn sie den Laden inzwischen nicht mehr betreibt, lässt sie ihrer blühenden Fantasie noch gerne freien Lauf, wenn ihr Interessenten größere Aufträge erteilen, für die Ausgestaltung von Feierlichkeiten zum Beispiel.
In diesem Jahr hat die Kembergerin noch ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt. Nicht das Spinnrad, an dem manche Hexe wohl sitzen mag. Nein, sie hat einen einwöchigen Webe-Lehrgang in der Oberlausitz mitgemacht. „Das hat mir so viel Freude bereitet, dass ich mir wohl einen kleinen Webstuhl erwirtschaften werde“, blickt sie in die Zukunft und nicht in eine Glaskugel. Eine solche Betätigung gefiele ihren 17-jährigen Zwillingsmädchen denn auch besser als die Hexenauftritte.
„Die Mädchen finden es noch peinlich“, weiß die Mutter, „aber der 24-jährige Sohn findet das inzwischen gut.“ Und der Ehemann zieht beim Stadtfest im Umzug sowieso mit. „Ich bin nun mal keine feine Adelsdame“, gesteht sie. Lieber trete sie so entstellt auf, „da kannst du viel Quatsch machen und die Leute zum Lachen bringen“. Das ist ihr, die sehr kommunikativ ist, wichtig.
In der Adventszeit kann es übrigens auch mal ein Heiligenschein sein, den Corinna Kohnert aus ihrer reich bestückten Kostümkiste holt. Aber einen Zauberspruch hätte sie dennoch parat: „Ich bin nicht der Nikolaus, steh’ auch nicht vor eurem Haus. Ich bin die Hexe aus der Ferne und schick’ zur Weihnachtszeit euch Zaubersterne.“ (mz)

