Adventskalender 2016 Adventskalender 2016: Türchen 6: Wo um 2 der Wecker klingelt

Abtsdorf - Wenn die Abtsdorfer MZ-Leser heute aufstehen, hat Angela Parche ihnen schon etwas gebracht. Nicht als Nikolaus freilich - für die Überraschungen in den Schuhen sind andere zuständig - sondern als MZ-Zustellerin. Sie hat diese Zeitung hier in dem Wittenberger Stadtteil in die jeweiligen Kästen gesteckt. Wie jeden Dienstag mit der Prisma-Beilage. Wenn alles gut gegangen ist, dann hat die 57-Jährige ihre Runde bis 6 Uhr absolviert.
Seit 1993 ist sie jeden Morgen unterwegs, abgesehen freilich von den Sonn- und Feiertagen, an denen die MZ nicht erscheint, und ausgenommen ihre Urlaubs- und auch mal Krankentage. Anfangs war es „auch bloß die Hälfte von Abtsdorf“, setzt sie der Korrektheit halber noch nach. Doch als ihre Mitstreiterin den Job aufgab, übernahm Angela Parche den gesamten Ort und legt so Tag für Tag rund zehn Kilometer Weg zurück.
„Wenn man so jede Straße nimmt, den Mühlengrund dazu und zum Gut hoch, da kommt schon was zusammen“, weiß sie aus Erfahrung. Manchmal habe sie schon an einen Schrittzähler gedacht, aber den habe sie noch nicht. Lediglich bei der Hälfte des Ortes, da habe sie es mal gewusst. „Die Heinrich-Schach-Straße ist jedenfalls die längste.“
Mit dem Fahrrad oder mit dem Auto absolviert sie die Strecke, was sie von der Witterung und dem Umfang der Zustellung abhängig macht. Wenn sie mittwochs auch noch den Wochenspiegel austrägt mit den entsprechenden Beilagen, dann kommt schon ein ganz schönes „Paket“ für jeden Haushalt zusammen. „Das Auto ist immer gerammelt voll“, sagt sie und dass sie an solchen Tagen meist noch eine zweite Tour durch ihr Dorf unternimmt. Dann mit den Briefen des MZZ-Briefdienstes. An anderen Tagen steckt sie die Post auch schon bei der ersten Runde mit ein.
Auf den Tisch kommen Heiligabend Kartoffelsalat und Würstchen. Natürlich ist es selbst gemachter Kartoffelsalat, nach unserem Familienrezept.
Weihnachten bedeutet für mich auf alle Fälle Familie. Ich meine das Zusammensein mit den Kindern und den Enkelkindern. Am Heiligen Abend sind wir zum Beispiel bei der großen Tochter.
Nicht verzichten möchte ich zur Advents- und Weihnachtszeit auf Stolle, Lebkuchen und natürlich Kerzenlicht. Auch weihnachtlicher Schmuck gehört dazu, das Adventsgesteck mit den vier Kerzen sowieso. Aber einen Weihnachtsbaum wird es bei uns hier im Haus nicht mehr geben.
Die größte Weihnachtskatastrophe wäre, wenn die Ente oder die Gans, also der Festbraten, verbrennen würde. Ich denke, kleine Sachen passieren an den Festtagen immer. Das ist wohl in jeder Familie so.
Dafür klingelt bei Angela Parche um 2 Uhr in der Nacht der Wecker. Während anderswo der Tag mit einem gemütlichen Frühstück und der Zeitung beginnt, legt sie sich dann die MZZ-Post auf ihren Küchentisch und sortiert diese, Straße für Straße und nach den Namen. „Ich weiß, wer in welchem Haus in welcher Straße wohnt“, sagt sie. „Aber nicht nach den Hausnummern“, fügt sie lachend hinzu, „mit Zahlen habe ich es nicht so.“
Um 3 Uhr, manchmal auch eine halbe Stunde später, macht sie sich in die Spur. Wobei sie den Winter nicht mag. Zum einen sei es relativ dunkel im Ort, weil nur jede zweite Straßenlampe leuchtet und um die Zeit auch die weihnachtlichen Dekobeleuchtungen noch nicht eingeschaltet sind. Zum anderen weil es oft glatt ist auf den Abtsdorfer Straßen und vor um 6 Uhr auch die wenigsten schon Schnee geschoben haben.
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„Ich bin schon oft hingefallen“, gesteht die Zustellerin, „trotz Spikes.“ Ein drittes Handicap gibt es aber zu jeder Jahreszeit. Wenn die Tonnen, wie am heutigen Dienstag die schwarze und die blaue, vor den Eingängen stehen und sie mit dem Fahrrad nicht zum Briefkasten kommt.
„Aber der Frühling und der Sommer sind mir schon deutlich lieber“, sagt die Frühaufsteherin. Sie mag die aufgehende Sonne, die Blumen, das Vogelgezwitscher. Tiere sind ohnehin ihre häufigen Begegnungen. Rehe und Füchse sehe sie ziemlich häufig oder wie die Marder spielen. Einmal habe auch ein Dachs ihren Weg gekreuzt und ein andermal habe sie über einen Hasen lachen müssen, wie der in der Straße umherrannte.
Die Hunde im Ort kenne sie natürlich auch, denen begegne sie mit Respekt, denn wie die Postboten mögen Hunde auch Zeitungszusteller nicht. Nur der ihre, ein Jack Russell, begrüße sie immer freudig. (mz)
