1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Adventsserie 2016: Adventskalender 2016: Türchen 1: Gute Seele des Hauses

Live:

Adventsserie 2016 Adventskalender 2016: Türchen 1: Gute Seele des Hauses

Von Marcel Duclaud 01.12.2016, 04:32
Am 1. Dezember öffnet sich das erste Türchen vom Adventskalender der MZ.
Am 1. Dezember öffnet sich das erste Türchen vom Adventskalender der MZ. Symbol/cco

Wittenberg - Der Treff ist, was er verspricht: eine Begegnungsstätte, ein Ort für einen Plausch, ein Ort zum Lernen, ein Ort, um seinen Interessen nachzugehen, ein Ort wohl auch, um der Stille der eigenen vier Wände zu entkommen. Und Birgit Maßny, die Chefin, ist die gute Seele des Hauses.

Die Tür geht eigentlich ständig, ein Gruß, eine schnelle Absprache, ein Kuchen wird vorbei gebracht, jemand blättert in den Büchern, im Hintergrund sind die Sprachpaten zu hören. Birgit Maßny strahlt Freundlichkeit aus, Optimismus. Sie hat wesentlichen Anteil daran, dass der 2010 ins Leben gerufene Nachbarschaftstreff in Wittenberg West funktioniert - und wächst. „Am Anfang habe ich noch alles selber gemacht, vom Abwasch bis zur Beratung.“ Das ginge inzwischen gar nicht mehr.

Nachbarschaftstreff in Wittenberg West für alle offen

Jetzt sorgt ein großes Team aus Ehrenamtlichen, zwei Bundesfreiwilligen und einer Mitarbeiterin, die über das Programm Soziale Teilhabe beschäftigt wird, für den Betrieb im Treff, der prinzipiell für alle offen ist, nicht nur für die Bewohner des Quartiers: „Es gibt hier keine Passkontrolle. Wir haben zum Beispiel Flüchtlinge, die eigens aus Coswig kommen, um hier Deutsch zu üben.“

Auf den Tisch kommt am Heiligabend Raclette. Am ersten Weihnachtsfeiertag ist es traditionell Gänsebraten.

Weihnachten bedeutet für mich Stress, erst am Heiligen Abend kehrt Ruhe ein.

Nicht verzichten möchte ich zur Advents- und Weihnachtszeit auf die strahlenden Augen meiner Kinder, wenn sie kriegen, was sie sich gewünscht haben.

Überhaupt ist Offenheit und Toleranz das Motto der Begegnungsstätte. Fachgruppen sind gerne gesehen - aber sie dürfen keine abgeschlossenen Zirkel bilden. Und noch ein Prinzip ist Birgit Maßny wichtig: „Das ist nicht mein Treff, es ist der Treff der Einwohner, sie müssen ihn mitgestalten.“

Das tun sie in beeindruckendem Maße. Es gibt einen ständigen Mittagstisch, die Krabbelgruppe, die Sangesfreunde, Line-Dance, Gehirnjogging, Maltreff und Elbstichlinge (das Handarbeitscafé), PC-Sprechstunde („Irgendeiner weiß immer eine Lösung.“), Schreib-Frauen und Botaniker, Bonsai-Gruppe und Geologen, eine Ilco-Selbsthilfegruppe. Der Treff organisiert Abendveranstaltungen, ist Anlaufstelle der Lern- und Lesepaten, wer Sorgen hat mit Rentenbescheiden kann kommen...

Birgit Maßny spricht von einem Mittelpunkt für den Stadtteil, von Nachbarschaftshilfe im besten Sinne des Wortes. Zu den neuen Nachbarn gehören eben auch die Flüchtlinge, denen Sprachpaten helfen, sich im Deutschen besser zurecht zu finden. „Anfangs kamen etwa 20 bis 25 Flüchtlinge täglich, inzwischen sind es etwas weniger.“

Paten zu finden, war übrigens gar kein Problem. Und die Anfeindungen halten sich in Grenzen. Dass es sie gibt, will Birgit Maßny gar nicht leugnen. „Ja, wir hatten Aufkleber an der Tür. Ich habe dazu meine Meinung formuliert und auch andere gebeten, das zu tun.“

Die engagierte Frau geht offensiv mit Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit um: „Ich lasse das nicht einfach im Raum stehen.“ Sie achtet freilich auch darauf, dass die Balance gewahrt bleibt, dass nicht zu viele Flüchtlinge kommen und andere sich verdrängt sehen: „Dass aufgrund der Flüchtlinge weniger Leute den Treff besuchen, kann ich jedenfalls nicht bestätigen.“ Eher im Gegenteil. Und die Fremden bringen sich ein: „Wir hatten hier einen von den Eritreern gestalteten Nachmittag. Der war wunderschön.“

Birgit Maßny wohnt in Zörnigall

Birgit Maßny selbst macht einen zufriedenen Eindruck. „Ich habe hier meine Aufgabe gefunden. Ich kann vielen Menschen helfen.“ Das Publikum reiche vom Baby bis zum 90-Jährigen. Ihre oft wechselnden Jobs vor der Anstellung im Nachbarschaftstreff sieht die Zörnigallerin, die einst in Pädagogik promovieren wollte, als eine Art Vorbereitung.

Sie war in der Erwachsenenbildung tätig, im Tourismus, in der Jugendarbeit: „Das alles hat mich immer weiter gebracht, ich habe Wissen erworben und Beziehungen, die ich bis heute nutzen kann.“ Birgit Maßny sollte, als sie sich bewarb, ein Konzept entwerfen. „Das“, bemerkt sie, „hat immer noch Bestand.“ Die Säulen lauten: Bildung, Kaffeeklatsch, Spielen, Kreativ sein - und Singen. Das tut sie selber gerne: „Wenn ich Freitag hier abschließe, nach dem Treffen der Sangesfreunde, kann ich guten Gewissens nach Hause gehen.“ (mz)