1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. 500 Jahre Cranach-Apotheke: 500 Jahre Cranach-Apotheke: Hier gab es Menschenfett und Mumienpulver in Wittenberg

500 Jahre Cranach-Apotheke 500 Jahre Cranach-Apotheke: Hier gab es Menschenfett und Mumienpulver in Wittenberg

Von Corinna Nitz 03.12.2020, 10:55
Birgit Biernoth (links) und Eva Löber erinnern mit einer Broschüre an den 500. Jahrestag des Apothekenprivilegs für Cranach d. Ä. in Wittenberg. Eine Festwoche wurde coronabedingt abgesagt.
Birgit Biernoth (links) und Eva Löber erinnern mit einer Broschüre an den 500. Jahrestag des Apothekenprivilegs für Cranach d. Ä. in Wittenberg. Eine Festwoche wurde coronabedingt abgesagt. Klitzsch

Wittenberg - Manche Dinge will man gar nicht so genau wissen. Zum Beispiel wie Menschenfett gewonnen oder Mumienpulver hergestellt wird. Beides fand einst offenbar Verwendung auch in der Cranach-Apotheke Wittenberg. Eine Inventur- und Preisliste von 1599 weist ansonsten sämtliche arzneilich verwendeten Stoffe aus, die zu jener Zeit über den Tresen gegangen sind.

Facettenreich

Abbildungen dieser Liste finden sich jetzt in einer Festbroschüre, die anlässlich der Verleihung des Apothekenprivilegs an Lucas Cranach den Älteren am 6. Dezember 1520 von der heutigen Apotheken-Inhaberin Birgit Biernoth herausgegeben und in dieser Woche ausgeliefert wurde.

Biernoth, die sich darin qua Beruf dem pharmazeutischen Bereich widmet, hat zwei Ko-Autorinnen gewonnen: Eva Löber von der Cranach-Stiftung und Christiane Hennen (Leucorea). Letztere zeichnet ein eindrückliches Bild des Stadtlebens der damaligen Zeit. Löber hat eine Übersicht der Besitzer der Apotheke beigesteuert.

Indes sollte die Broschüre nur ein Beitrag zum Jubiläum werden. Biernoth und Löber berichten von einer Festwoche mit einem facettenreichen Programm, wofür sie sich der Kooperation namhafter Referenten versichert hatten. Thementage waren geplant, unter anderem sollte zum Auftakt im SKW-Science-Center „futurea“ der Bogen gespannt werden von der Alchemie über die Chemie bis hin zu modernen Arzneiforschungen.

Um die Botanik sollte es gehen, Pharmazie auf Kultur treffen und die Seuchengeschichte des 16. Jahrhunderts beleuchtet werden. Diesen Programmpunkt, so Löber, hatten sie besprochen, „da kannten wir den Begriff Corona noch nicht“. Corona sollte die Festwoche Anfang Juni unmöglich machen. Auch ein neuer Termin am kommenden Sonnabend musste wegen des zweiten Teil-Lockdowns in der Corona-Pandemie nun abgesagt werden. Nun hoffen Löber und Biernoth einfach auf das Frühjahr 2021.

Vor Ort erhältlich ist schon jetzt die Broschüre „Cranachs Apotheke“ (Kostenpunkt: 3,95 Euro). Und noch einiges mehr: Biernoth hat nicht nur den einstigen Hausherrn als Porträt in der Apotheke, ihm ist zudem eine eigene Ecke gewidmet, in der neben weiteren Publikationen unter anderem ein Magenbitter namens „Alter Cranacher“ nach einer alten Rezeptur angeboten wird.

Heute unmöglich

Was nun Cranach den Älteren angeht, so betrieb er zu seiner Zeit die einzige Apotheke in Wittenberg - und das, obschon er gar kein Apotheker war. Mit der Auflage, einen Fachmann einzustellen, wurde ihm schließlich an jenem 6. Dezember vor 500 Jahren das Apothekenprivileg erteilt. „Das ist eine Besonderheit der deutschen Pharmaziegeschichte. Es gibt nur wenige Beispiele“, sagt Biernoth und auch, dass so etwas heute unmöglich sei.

Und Cranach? Der Künstler, Ratsherr, Unternehmer, der Tausendsassa - er habe sich das Privileg sogar für seine Familie ausfertigen lassen. Eine zweite Apotheke in Wittenberg wurde erst 1895 eröffnet.

Gegen Wucher

Und jetzt zurück zu den eingangs erwähnten „Kuriositäten“ wie, nun ja, Menschenfett. Es wurde, erzählt Birgit Biernoth, auch „Armesünderfett“ genannt. Im Netz kann heute nachgelesen werden, dass dessen Verkauf für Henker damals eine wichtige Einnahmequelle war.

Jenseits dessen, was uns heute erschaudern lässt, gab es damals etliche Arzneien etwa aus dem Pflanzenreich, die auch penibel aufgelistet wurden. Zudem waren solche festgelegten Preislisten für die Bevölkerung eine Sicherheit vor Wucher. Auf der anderen Seite musste Medizin an Bedürftige auch unentgeltlich abgegeben werden. Es gab, so Birgit Biernoth, schon damals eine Gesundheitsvorsorge. (mz)