"Wir wissen es nicht" "Wir wissen es nicht": Gastronomen im Altkreis Köthen kämpfen mit vielen Unsicherheiten bei Corona-Regeln

Köthen - Während sich der Einzelhandel seit zwei Wochen im Jonglieren von Terminen versucht, um Kundschaft wirbt und hofft, dass die Geschäfte wenigstens offen bleiben dürfen, könnten theoretisch seit diesem Montag die Gastronomen nachziehen. Theoretisch und nur dort, wo die Fallzahlen den Anfang März verabschiedeten Stufenplan nicht sprengen. In Anhalt-Bitterfeld würde es passen. Aber wie lange? Und wer will eigentlich öffnen?
Perry Sixtus würde sich schon freuen, in seinem Diebziger Hof endlich mal wieder Gäste bewirten zu können. Doch dafür, findet er, ist es zu früh. Nicht nur wegen der Sieben-Tage-Inzidenz, die im Kreis zwar aktuell unter 100 liegt, im Landesschnitt allerdings darüber.
Für die Außengastronomie müsste allein schon Petrus etwas mehr Beständigkeit an den Tag legen. „Es passt vom Wetter noch nicht.“ Und überhaupt sei die Lage viel zu unsicher. Etliche größere Feiern für April sind abgesagt. Perry Sixtus kann das sogar verstehen und erinnert nur an die geltenden Kontaktbeschränkungen.
„Natürlich wollen wir wieder öffnen, aber es muss auch Sinn ergeben und wirtschaftlich sein“
Das sei von der Politik alles zu kurz gedacht, sagt Stephan Nickel seit Langem. Schon vor Wochen meldet sich der Chef des Köthener Brauhauses bei Facebook zu Wort und beschreibt die komplizierte Lage der Gastronomen. Es mag ja Betriebe geben, die draußen und mit Selbstbedienung funktionieren, doch Restaurants mit Innen- und Außenbereich und typischem Bedienkonzept könnten ihre Öffnungszeiten nicht am Wetterbericht orientieren.
Was würde passieren, wenn der Biergarten voll besetzt wäre und es plötzlich anfinge zu regnen? „Soll ich meinen Gästen dann sagen: Tut mir leid, aber rein dürft ihr nicht.“
Stephan Nickel unterstreicht bei aller Kritik: „Natürlich wollen wir wieder öffnen, aber es muss auch Sinn ergeben und wirtschaftlich sein.“ Ein paar Gäste würden eben nicht reichen - und auch nicht ein paar wärmere Tage mit sonnigen Aussichten. Für Kathrin Ganzert vom Restaurant Athos steht deshalb fest: „Wir öffnen erst wieder, wenn alles in Ordnung ist - oder der Sommer da ist. Aber jetzt auf keinen Fall.“
Keine Ahnung, wie das Konzept Außengastronomie unter den momentanen Bedingungen funktionieren könnte
Weiterhin fehlt den Restaurantbesitzern die Verlässlichkeit, um ihre Betriebe wieder zum Laufen zu bringen. Es sei, so Perry Sixtus vom Diebziger Hof, keine Option, alles wieder wegzuwerfen, was man eingekauft oder gekocht hat, weil niemand kommt. Hinzu käme, dass die Gäste im Moment einen tagesaktuellen Schnelltest vorzeigen müssten. „Und was mache ich, wenn einer den Test hat und der andere nicht?“
Der Gastwirt hat keine Ahnung, wie das Konzept Außengastronomie unter den momentanen Bedingungen funktionieren könnte. „Wir wollen öffnen, aber fühlen uns komplett ausgegrenzt.“ Irgendwie im Stich gelassen. Deshalb könne man überhaupt nicht planen.
Ein komplett neues Gefühl im 24. Jahr Diebziger Hof. Voraussichtlich soll dann erst einmal nur an den Wochenenden geöffnet werden und mit abgespeckter Speisekarte. Perry Sixtus hofft, dass die Gäste Verständnis dafür haben. Doch er wüsste nicht, wie er auf die ungewisse Lage sonst reagieren sollte.
„Wenn sie einen Braten aus der Assiette zu Hause noch einmal warm machen, ist das wie Resteessen am Montag“
Stephan Nickel gewinnt mehr und mehr den Eindruck, dass die Politik es den Gastronomen bewusst so schwer wie möglich macht - und gleichzeitig die Botschaft verbreitet: Ihr könntet ja öffnen. Aber: „Wer wirtschaftlich arbeiten will, hat keine andere Wahl als zu warten.“ Außerdem glaubt der Brauhaus-Inhaber, dass Corona erst aus den Köpfen der Leute muss. Weshalb er es für sinnlos erachtet, Gaststätten jetzt wieder zu öffnen.
Theoretisch wäre Kornelia Woit in Baasdorf bereit, Gäste zu empfangen. Seit Wochen bringt sie ihre „Quelle“ auf Vordermann, renoviert, putzt - lange in der Hoffnung, vielleicht Ostern wieder starten zu können. Doch so recht überzeugt davon ist sie nie. Es dürfte eine Wunschvorstellung bleiben. Und: „Das braucht auch seine Zeit, ehe die Bücher wieder voll sind; das geht nicht von heute auf morgen.“
Perry Sixtus sieht das ähnlich und sagt im Hinblick auf Ostern klipp und klar. „Wir wissen es nicht.“ Was er allerdings weiß: „Wenn sie einen Braten aus der Assiette zu Hause noch einmal warm machen, ist das wie Resteessen am Montag.“ Welche funktionierenden Lösungen es für die Gastronomen geben kann und vor allem wann, steht mehr denn je in den Sternen. „Ich rechne nicht damit“, so Stephan Nickel, „dass es vor Pfingsten losgeht.“ (mz)