Zahlt Fahrdienst Hungerlöhne?
WEISSENFELS/MZ. - In Günthersdorf im Saalekreis hat die Firma eine für mehrere ostdeutsche Länder zuständige Niederlassung. Im nordrhein-westfälischen Bielefeld hat Verdi inzwischen Strafanzeige wegen Lohnwuchers gestellt, sagte der dortige Bezirksgeschäftsführer Werner Linnemann auf MZ-Anfrage. "Wer die Notlage von sozial Schwachen ausnutzt, um Niedrigstlöhne zu zahlen, der begeht Wucher", sagte Linnemann.
Nach Aussage von Beschäftigten, belaufe sich der Stundenlohn auf dem Papier auf 3,71 Euro. Da aber die Arbeitszeit erst von der Aufnahme des ersten Fahrgastes und bis zum Absetzen des letzten Fahrgastes gerechnet werde, ergebe sich tatsächlich ein Stundenlohn von weniger als zwei Euro erklärte Linnemann. "Wir gehen davon aus, dass das in unserer Region nicht anders ist", sagte Verdi-Bezirksgeschäftsführer Lothar Philipp aus Halle. "Allerdings tun sich die Beschäftigten schwer, mit uns zu reden aus Angst um ihren Arbeitsplatz." Man sei aber dabei, den ganzen Sachverhalt zu prüfen.
Die Firma selbst will dazu gar nichts sagen. Auf Nachfrage der MZ in der Niederlassung in Günthersdorf hieß es: "Wir geben dazu derzeit keinerlei Kommentar ab." Die Niederlassung in Günthersdorf ist laut der Internetseite von Sonnenschein eine von insgesamt acht Standorten in Deutschland.
Neben dem Unternehmen selbst gerät aber auch die Kreisverwaltung des Burgenlandkreises in die Kritik der Gewerkschaft. "Wird denn die Vergabe nur noch danach gemacht, wer etwas am billigsten anbietet?" fragt Philipp in Richtung Landkreis. Dort ist man in dieser Woche nach den Wort von Dezernent Gerd Waldmann erstmals mit dem Problem und den Vorwürfen gegenüber Sonnenschein konfrontiert worden. Gunter Schneider von der Fraktion Die Linke hatte im Kreistag eine entsprechende Anfrage gestellt.
Gegenwärtig ist man in der Verwaltung dabei, eine Antwort auf die Anfrage zusammenzustellen. Rechtsamtsleiter Frank Götschenberg sagte gegenüber der MZ, dass man das Unternehmen aus früheren Leistungen als zuverlässig kenne. Die Fahrer seien freundlich und hilfsbereit. Aber man werde die vorgeworfenen Tatbestände unter die Lupe nehmen. Allerdings zeigte er sich skeptisch, ob man aus dem Vertrag herauskommen könnte, wie jetzt von verschiedenen Seiten gefordert wird. Die früher mal geübte Praxis, bei Vergaben der öffentlichen Hand auch eine Tariftreueerklärung zu fordern, sei gesetzlich nicht mehr möglich. "Der Europäische Gerichtshof hat das am 3. April 2008 für nicht mit dem europäischen Vergaberecht vereinbar erklärt", sagte Götschenberg. Es sei denn, man könne Sittenwidrigkeit nachweisen, "in solchen Fällen sind Verträge jederzeit kündbar", so der Jurist.
Aus Sicht der Gewerkschaft sind die Löhne bei Sonnenschein sittenwidrig. "Viele Fahrerinnen und Fahrer sind Rentenempfänger, die sich etwas dazuverdienen müssen, um über die Runden zu kommen", erklärte Linnemann. Im übrigen weht nach seinem Kenntnisstand auch noch aus einer anderen Richtung Sonnenschein heftiger Wind ins Gesicht. "Der Zoll hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs aufgenommen", sagte der Gewerkschafter. Die abzuführenden Sozialabgaben würden sich nämlich nicht nach den tatsächlich gezahlten Niedriglöhnen richten, sondern nach dem bestehenden Rechtsanspruch.
Schulbusse Sonnenschein in Günthersdorf hatte erst im vorigen Jahr neben anderen den erneuten Zuschlag für den Schülertransport zu Förderschulen bekommen. Die geschlossenen Verträge laufen laut Götschenberg über einen Zeitraum von vier Jahren.