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Wirtschaft Wirtschaft: Die Macher vom Weißenfelser Fleischwerk

Von Andreas Richter 09.10.2015, 09:23
Haben die Entwicklung im Weißenfelser Fleischwerk maßgeblich geprägt: Fleischer Holm Rausch (links) und Kaufmann Reinhold Dierkes .
Haben die Entwicklung im Weißenfelser Fleischwerk maßgeblich geprägt: Fleischer Holm Rausch (links) und Kaufmann Reinhold Dierkes . Peter Lisker Lizenz

Weißenfels - Sonntagmorgen. Holm Rausch schaut, nachdem er beim Bäcker war, mal wieder bei den alten Kollegen vorbei. Wie läuft’s? Was gibt’s Neues? Schließlich lässt sich ein halbes Jahrhundert nicht so einfach wegwischen. Denn Rausch hat geschafft, was sich heute anhört wie aus einer anderen Welt: Sein ganzes 50-jähriges Arbeitsleben hat er in ein und demselben Betrieb, im Weißenfelser Schlachthof, verbracht.

Auch am Wochenende vor Ort

Seit 1. Oktober ist für den 65-Jährigen endgültig Schluss. Seitdem kommt der Rentner aus Markröhlitz nicht mehr kurz nach drei am Morgen in den Betrieb. So wie er es über Jahre gemacht hat. Ja, der gelernte Fleischer war ein Macher. Seit 1970 habe er immer irgendwie Verantwortung geschultert, erinnert sich Rausch. Als Brigadier zu DDR-Zeiten, ab 1975 als Betriebsleiter. Da ging es dann auch mal auf Geschäftsreise in die USA, nach Norwegen oder Frankreich. Nach der Wende wurde Rausch Chef im Bereich Zerlegung. Zuletzt war er für rund 300 Mann in der Schlachtung verantwortlich.

„Das hier ist mein Baby“, sagt Rausch und lässt seinen Blick über die Firma schweifen, die heute als einer der modernsten Betriebe seiner Branche in Europa gilt (siehe Beitrag „Standort für. . .“). Und weil man sich um ein Baby immer irgendwie kümmern muss, war er in den letzten Jahren fast an jedem Tag in „seinem“ Schlachthof, auch am Wochenende. „Da kann viel passieren. Wenn sich die Schlachtzahlen ändern zum Beispiel, da muss manchmal schnell entschieden werden “, sagt Rausch. Warum so viel Einsatz? Er, der immer Fleischer werden wollte, macht nicht viele Worte: „Ich liebe einfach meinen Beruf.“ Dass dem Töten von Tieren und seinen Begleitumständen mitunter ein negatives Image anhaftet, mache ihm nichts aus, versichert er. Fleisch essen wollen schließlich die meisten. . . Und dann schiebt er noch hinterher: „Auch ein Schlachter hat seine Berufsehre.“

In jenen Aufbruchzeiten, als nicht mehr viel so blieb wie es war, da begegnete der Markröhlitzer einem anderen Macher. Im Juli 1990 kam Reinhold Dierkes, aufgewachsen im Münsterland, zum ersten Mal in die gerade noch existierende DDR. „Den Viehhandel kenne ich von Kindesbeinen an“, betont der heute 53-Jährige. In jenen bewegten Tagen kam er von Tönnies in Nordrhein-Westfalen und sollte sich das Ganze in Weißenfels mal angucken. Aus drei Tagen sollte ein Vierteljahrhundert werden. Viele Jahre führte Dierkes eine Wochenendehe, gehörte zur großen Schar der Pendler. Bis er 2007 endgültig an der Saale heimisch wurde und nach Leißling zog.

Zeichen stehen auf Wachstum

„1990, da ging es richtig los“, erinnert sich Holm Rausch. Beide, der Fleischer aus dem Osten und der Kaufmann aus dem Westen, sorgten an vorderster Front dafür, dass es mit dem Weißenfelser Schlachthof dank der Tönnies-Unternehmensgruppe steil nach oben ging. Rauch ist überzeugt: „Denen sollte man ein Denkmal setzen“.

Wurden im Jahr 1990 rund 160.000 Schweine geschlachtet, so waren es im Jahr 2000 schon 1,4 Millionen, im vergangenen Jahr 4,5 Millionen. Waren 1990 rund 160 Mitarbeiter im Weißenfelser Schlachthof beschäftigt, so sind es heute alles in allem 2 200. „Das ist schon eine rasante Entwicklung“, sagt Dierkes, seit 1995 Geschäftsführer des Tönnies- Fleischwerkes in Weißenfels.

Der Fleischer und der Kaufmann - nach 25 Jahren werden sich ihre Wege nun trennen. Dierkes wird weiter Fleisch verkaufen. „Die Zeichen stehen auf Wachstum“ , sagt der Geschäftsführer. Spricht von neuen Märkten, vor allem in Asien.

Dass eine solche Entwicklung in Weißenfels auch mit Argwohn betrachtet wird, ist ihm bewusst. Doch er sieht den Betrieb auf dem richtigen Weg. „Wir haben in den vergangenen Jahren über die gesetzlichen Anforderungen hinaus in die Eindämmung von Lärm und Gerüchen investiert“, sagt er und schätzt die Unterstützung von der Stadt und dem Landkreis. „Wir wollen weiter den Dialog und ein Miteinander mit den Bürgern“, versichert Dierkes. Er verweist auf das Engagement von Tönnies im Umfeld der Neustadt, auf die Erschließung des ehemaligen Güterbahnhofes etwa, auf soziales Engagement, die Förderung von Sport und Kultur.

Festakt zum Jubiläum

Und weil für ihn die Tönnies-Mitarbeiter seit 25 Jahren an einer Erfolgsgeschichte schreiben, sollen sie nun auch ordentlich feiern. Morgen Abend beim Festakt im Kulturhaus. Da wird auch Clemens Tönnies, Vorstandsvorsitzender der Tönnies-Unternehmensgruppe und Aufsichtsratschef bei Schalke 04, erwartet.

Und natürlich Holm Rausch. Der frisch gebackene Rentner gestaltet gerade seinen großen Garten um. Im Fleischwerk wird er wohl immer mal vorbeischauen. Immerhin hat er ein Zutrittsrecht auf Lebenszeit. Ganz so früh will er allerdings nicht mehr kommen. Er schläft jetzt morgens länger - so bis gegen halb fünf. (mz)