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Integration Wie kann miteinander in der Weißenfelser Neustadt gelingen?

Mehr als jeder Dritte in der Weißenfelser Neustadt ist Ausländer. Statt Miteinander gibt es viel Nebeneinander und Sorgen. Wie lässt sich das auflösen?

Von Alexander Kempf 08.12.2021, 08:12
Ministerpräsident Reiner Haseloff und Marko Stock in der Weißenfelser Neustadt. Er hatte sich wegen Problemen an den Landesvater gewandt.
Ministerpräsident Reiner Haseloff und Marko Stock in der Weißenfelser Neustadt. Er hatte sich wegen Problemen an den Landesvater gewandt. Foto: Alexander Kempf

Weissenfels/MZ - Selber ist Marko Stock in der Weißenfelser Neustadt noch nicht bedroht worden. Seine Partnerin sei als Frau hier aber schon angesprochen und bepöbelt worden. Eine hohe Zahl männlicher Gastarbeiter im Viertel bereitet dem Paar seit einigen Jahren Unbehagen. Die Tochter lasse er mittlerweile alleine nicht mehr raus und seine Partnerin begleite er vom Auto zur Haustür, berichtet Marko Stock. „Wir haben uns im Stich gelassen gefühlt“, sagt der gebürtige Hallenser, der seit 2015 in Weißenfels lebt. Mit seinen Sorgen hat er sich daher vor einer Weile direkt an den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) gewandt.

Am vergangenen Freitag haben sich beide während eines Spaziergangs nun ausgetauscht. Laute Partys und umherfliegende Flaschen in der Nachbarschaft waren nur zwei der Probleme, die der Anwohner benannte. „Ich will ein Sicherheitsgefühl“, sagte Marko Stock nicht nur in Richtung des Regierungschefs. Denn auch der scheidende Weißenfelser Oberbürgermeister Robby Risch (parteilos), die Landtagsabgeordnete Elke Simon-Kuch (CDU) sowie Katja Henze von der Stadtverwaltung waren eingeladen. Alle eint das Ziel, das Nebeneinander verschiedener Kulturen in der Neustadt in ein Miteinander zu verwandeln. Mit vereinten Kräften und verschiedenen Ansätzen.

„Wir sind auch als Staat gefordert“, sagte etwa der Ministerpräsident. So müsse sichergestellt werden, dass vor Ort das deutsche Melderecht eingehalten wird. Transparenz, Legalität und Polizeipräsenz seien wichtig, so Reiner Haseloff. Der Oberbürgermeister verwies darauf, dass sich das aufgestockte Ordnungsamt schon positiv bemerkbar mache.

Mit dessen Einsätzen und der Polizei würde man aber immer nur die Symptome behandeln, so Robby Risch. Für ihn ist deshalb Integration der Schlüssel zu mehr Miteinander. In der Tagewerbener Straße 1 könnte aus seiner Sicht eine Begegnungsstätte entstehen, wo Nationen zusammenkommen. „Das ist eine Riesenaufgabe, vor der die Stadt auch in den kommenden Jahren noch stehen wird“, so Risch.

Dass mehr Miteinander verschiedener Kulturen möglich ist, weiß Marko Stock aus eigener Erfahrung. Ehe er nach Weißenfels zog, hat er 25 Jahre nahe Frankfurt am Main gewohnt. Da werde Integration gelebt. „Da sitzt man abends auch mal bei einem Bier zusammen“, so Stock.

Doch in Hessen hatte man für das Zusammenwachsen deutlich mehr Zeit. Weißenfels steht in vielen Bereichen noch am Anfang. „Bei uns ist das alles frisch“, so Reiner Haseloff. Für ihn stelle die Neustadt aber nicht nur ein Problem, sondern auch eine Chance dar. Es brauche längst ausländische Arbeitskräfte, um die eigene Wirtschaft am Leben zu erhalten. „Wir kommen ohne gar nicht mehr klar“, sagte er - gerade mit Blick auf die Fleischindustrie.

Ähnlich sieht es der Oberbürgermeister. Der steht im engen Kontakt zum ansässigen Fleischwerk, das viele Arbeitskräfte aus Polen und Rumänien nach Weißenfels und in die Neustadt lockt. Auch das Unternehmen würde sich über weniger Fluktuation freuen, versicherte der Rathauschef. Profitieren könnten von mehr Integration vor Ort letztlich alle Seiten. „Wir hätten ohne die Migranten einen völlig überalterten Stadtteil“, so Risch. Ihn freut, wenn nicht nur die Gastarbeiter, sondern auch ihre Familien in Zeiten von Fachkräftemangel den Weg nach Weißenfels finden. „Wir brauchen die. Wir sehen da eine Riesenchance“, so der Oberbürgermeister wörtlich.

Das Thema Integration soll künftig auch im Rathaus eine höhere Priorität erhalten. Ab Januar wird es dafür ein eigenes Amt geben. Leiten soll es Katja Henze, die bisherige Beauftragte für Gleichstellung und Integration der Stadtverwaltung. Sie hat gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Neustadt schon einiges unternommen, um mehr Miteinander zu ermöglichen. „Wir sind alle aufeinander angewiesen“, ist die Landtagsabgeordnete Elke Simon-Kuch überzeugt, die sich in der Arbeitsgemeinschaft engagiert. „Kommen sie in die AG Neustadt“, sagte sie in Richtung Marko Stock. Angesprochen dürfen sich aber sicher auch alle anderen Neustädter fühlen.