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Weißenfels Weißenfels: Wohnmühle als Ausnahme

Von Holger Zimmer 28.05.2012, 17:43

Weissenfels/MZ. - Sie sind liebevoll wieder aufgebaut oder werden mühevoll instand gehalten. Durch Löcher in Dach und Außenhaut pfeift der Wind oder die Mühlen sind ganz verschwunden. Abseits vom Mühlentagweg hat sich die MZ auf eine Spurensuche begeben.

Der Besitzer der Röckener Mühle winkt allerdings ab. Seine Mühle ragt wie ein abgebrochener Zahn in den Himmel. Obendrauf steht eine Vorrichtung, mit der mal Strom erzeugt werden sollte. Der Mann hat mit dem Kapitel abgeschlossen. Sein Beruf ist einer, der mit den Letzten der Zunft geht.

Ein paar hundert Meter weiter, bei Bothfeld, stoppen die Pkw-Räder vor Pflaster, in das zwei Mühlsteine eingelassen sind. Unweit stehen die behauenen Grundsteine der alten Bockwindmühle. Mehr ist von ihr auf dem kleinen Hügel inmitten platten Landes nicht geblieben. Heinz Buchholz ist Mitte der 70er Jahre in den Westen gegangen und mit der Wende zurückgekehrt.

Damals hat Müllermeister Walter Berger noch in dem von 1846 überkommenen Holzbau geschrotet. Als kaum noch jemand Viehzeug daheim hatte und Schrot nicht mehr gebraucht wurde, schloss Berger die Tür zur Mühle. Für immer. "In DDR-Zeiten habe ich kein Geld bekommen, jetzt wird alles zu teuer", so sein Argument, das jede Instandhaltung ausschloss.

Bock und Hausbaum geborgen

Was Wurm und Fäulnis nicht schafften, erledigten Orkan Kyrill und seine Nachfolger. Buchholz kam gerade aus dem Garten, als ihm das Dach vor die Füße fiel. Ein herabfallendes Brett demolierte ein Auto. Was blieb, waren zuletzt der Bock und der Hausbaum, auf der die Mühle mal stand. Die hat kürzlich ein Mühlenverein geborgen. Vielleicht winkt damit einer anderen Mühle ein zweites Leben?

Auch die Lobitzscher Mühle ist schon vor der Jahrtausendwende vom Erdboden verschwunden. Joachim Angermann (72) beklagt die fehlende Unterstützung. Der Denkmalschutz war da und als es an den Abriss ging, kam auch die Gemeinde. Selbst wenn Mittel geflossen wären, zwei Drittel hätten von ihm aufgebracht werden müssen. Letztlich wäre die Mühle aus der Zeit um 1876 ein Fass ohne Boden gewesen. Die Kinder würden heute dem Verschwinden der Bockwindmühle, die 1936 umgebaut worden war, zwar noch ein wenig nachtrauern, aber nach einem Blitzeinschlag und dem schnellen Verfall müsse man am Ende froh sein. Heute sind es liebevolle Erinnerungen, die Renate Angermann (71) hat, wenn sie die Bilder anschaut, auf denen sie zum Beispiel als junges Mädchen aus einem der Mühlenfenster schaut.

80 Jahre zählt Erich Volk, der in Pettstädt die Familienwindmühle in Schuss hält. "Einfallen lassen kann man sie doch nicht", sagt er. 1900 wurde sie gekauft und versah noch 80 Jahre ihren Dienst. Später war das Dach schadhaft, die Balken verfaulten. Alles hat der Senior seit 1995 auf Vordermann gebracht, das Dach gedeckt, die Beplankung erneuert. Zwischenzeitlich wurde die Mühle abermals gestrichen und vor zwei Wochen wurden die Treppenstufen erneuert. Sie ist auch ohne Flügel eine Zierde für den Ort und der Stolz der Familie.

Ähnlich ist es bei Familie Kühling in Tagewerben. Die Turmwindmühle ist das Wahrzeichen des Dorfes. Der inzwischen verstorbene Hellmut Kühling war Müllermeister, betrieb die derzeit 109 Jahre alte Mühle bis 1968 im Haupt- und noch einige Jahre im Nebengewerbe. Sein Sohn Roland Kühling (54) sagt: "Aber mit 90 Pfennigen für den Sack Schrot war kaum etwas zu verdienen." Dach und Dachboden waren reparaturbedürftig, weil Nässe eingedrungen war, denn in DDR-Zeiten sei eine Instandhaltung schon an der fehlenden Rüstung gescheitert. 2001 waren die Arbeiten unter Federführung von Hellmut Kühling beendet. Die Flügel sind zwar nur Attrappen, doch das Dach ist dicht, Türen und Fenster neu. Roland Kühling sagt: "Wir haben zwar ein paar Prozente über die Dorferneuerung bekommen, aber vor allem stecken in der Mühle viele Eigenmittel." Und sein Sohn Mathias setzt hinzu: "Wer will schon eine Ruine auf seinem Grundstück? Außerdem ist die Mühle ein Aushängeschild für den Ort." Ein Vorzeigeobjekt ist auch die Turmwindmühle in Wengelsdorf. Sie wird von Knut Poludniak und seiner Frau Silke bewohnt. "Durch eines der Fenster scheint immer die Sonne", nennt der 50-Jährige einen der Vorzüge. Und er fügt hinzu, dass sie durch diese Nutzung erhalten worden ist. Denn von der 1878 erbauten Mühle stand nur noch die steinerne Mauerschaft. 1996 hat Poludniak die Ruine gekauft, 2002 konnte er einziehen. Dabei wurde nicht nur nach Originalansichten gebaut, sondern auch Wert aufs Detail gelegt. Dort, wo früher gearbeitet wurde, wird heute gewohnt.

Gefährlicher Gang ins Innere

Das aber ist in der Mühlenlandschaft eher die Ausnahme. Einige Steinwürfe von der Turmwindmühle steht das Gerippe einer alten Bockwindmühle und an einer solchen nagt auch am Ortsrand von Reichardtswerben der Zahn der Zeit. 2000 ist hier noch geschrotet worden, verrät Markus Berhold. Nun "flattern" die Bretter der Außenhaut im Wind, die Nägel finden kaum noch Halt im Holz und der Gang ins Innere wird immer gefährlicher. Eine Sanierung würde Zigtausende von Euro kosten. Soll man die in ein Gebäude stecken, das niemand mehr braucht?