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Weißenfels Weißenfels: Schlüsseldienst zockt Familie ab

Von klaus-dieter kunick 20.12.2012, 13:41

weissenfels/MZ. - Diesen Tag im Dezember vergisst Ines Müller nie wieder. Gegen 14 Uhr schlägt die Wohnungstür hinter ihrer Tochter Fanny, die die Wohnung eine Etage höher hat als die Mutter, zu. Ein Szenario, dass viele kennen und vor dem sie bangen: Tür zu und der Schlüssel liegt drinnen. Was tun? Guter Rat ist teuer. Dass dieser so belanglos hingesagte Satz solche Folgen hat, ahnt die 48-Jährige natürlich nicht - Ines Müller ruft den Schlüsseldienst an. Sie schaut in den Gelben Seiten nach und hat alsbald einen gefunden. Wichtig ist ihr, einen Dienst aus der Region in Anspruch zu nehmen. Der ist auch in Windeseile da und lässt sich, bevor er sich an der Tür zu schaffen macht, eine Auftragsbestätigung unterschreiben. Als Fanny Müller das getan hat, öffnet er die Tür in Sekundenschnelle und präsentiert die Rechnung: 414,12 Euro. Ines Müller: "Wer verdient in einer Minute Arbeit so viel Geld?" Als die Mutter den "Monteur" ob der hohen Rechnung zur Rede stellt, droht der, dass er Strafanzeige stelle, falls sie nicht zahle. "Da wir das nicht wollten, habe ich gezahlt", so Ines Müller.

Als die MZ besagten "Monteur" der Firma patronus Sicherheitstechnik aus Nöbdenitz (bei Ronneburg) befragt, meint der lediglich, dass der Preis gerechtfertigt sei. Er habe schlechte Erfahrungen mit der Presse und sage nichts mehr, die MZ solle sich an den Verband Deutscher Schlüsseldienste in Düsseldorf wenden, in dem er Mitglied sei. Dort fragt die MZ nach und erhält von einem Sprecher die Auskunft, dass alles rechtmäßig verlaufen sei. Damit konfrontiert, dass die Verbraucherzentrale dem Verband Wucher und Abzocke vorwirft, meint er, dass er von der Verbraucherzentrale nichts halte, "die haben doch keine Ahnung, da kann ich auch gleich zum nächsten Kegelverein gehen". Er ergänzt: "Schreiben Sie, was Sie wollen, wir brauchen eh' noch Werbung in der Ecke" und legt den Hörer auf.

Wolfgang Lehmann, Inhaber des Weißenfelser Schloss- und Schlüsseldienstes, muss sich erstmal setzen als er die Rechnung sieht: "Das ist ja Wahnsinn." Bei jedem seriösen Schlüsseldienst hätten die Kosten deutlich unter 100 Euro gelegen. Er kenne solche "Firmen", deren Sitz in den alten Bundesländern liege und die damit werben, dass sie ihren Sitz vor Ort hätten. Dem Kunden werde damit suggeriert, dass er gut aufgehoben sei, wenn er einen ortsansässigen Handwerker nehme, so Wolfgang Lehmann. Das Geschäftsmodell solcher Firmen sehe aber so aus, dass "Handwerker" einer bundesweit agierenden Firma monatlich für 500 Euro "Schutzgebühr" beitreten müssen und von der Firma bekämen sie dann die Aufträge. Die Frau sei kein Einzelfall, so Wolfgang Lehmann, immer wieder würden sich Bürger beklagen, dass sie betrogen wurden. Betrogen wurde auch Melanie Alt aus Tröglitz, die im Oktober, ebenfalls an einem Sonntag, einen Schlüsseldienst ruft. Auch sie erlebt eine böse Überraschung: 300 Euro kostet der Einsatz. "Das Türöffnen hat nicht mal zehn Sekunden gedauert. Das ist doch Wucher", sagt sie.

"Das sind keine Einzelfälle", bestätigt auch Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle. Beim Blick in die lokalen Telefonbücher zeigt sich, dass sich einige Firmen gleich unter dem Buchstaben "A" oder "AA" eintragen lassen, um in jedem Ort ganz oben zu stehen. Erst wer unter "S" oder im Branchenteil unter "Schlüsseldienst" sucht, findet die hiesigen Firmen. Die angeblichen Firmenadressen heißen dann "Am Roßmarkt Zeitz" oder "Würchwitz" oder "Theißen". Straßennamen oder Hausnummern fehlen fast immer und oftmals steht auch nur eine Handynummer dabei.

"Das Schlimme ist, dass diese Leute unter dem Namen Schlüsseldienst agieren und damit jedem seriösen Schlüsseldienstinhaber ein Negativ-Image verpassen", so Wolfgang Lehmann. Er könne nur appellieren, den Handwerker anzurufen, der auch tatsächlich bekannt sei. Ein Blick ins Internet verrät jedoch, dass allein in Weißenfels 55 Schlüsseldienste registriert sind, die vorgeben, in Weißenfels vor Ort zu sein. Wolfgang Lehmann kennt solche Geschäftsgebaren. Die Adressen stimmen nicht mit der Realität überein, als Sitz geben diese Firmen irgendeine Weißenfelser Straße an, sie lassen sich im Telefonbuch eintragen, aber der richtige Sitz ist irgendwo, nur nicht in Weißenfels. Eine Adresse lautet sogar Weißenfels, Markt 1 - man höre und staune: Das ist das Rathaus.

"Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dem Monteur die Anfahrtskosten von 30 Euro in die Hand gedrückt und mich verabschiedet", sagt Ines Müller. Noch immer ringt sie ob dieser Frechheit nach Luft.