Urbanature Urbanature: Türkischer Einfluss für Lützener Designer
LÜTZEN/MZ - Vorübergehend arbeiten in der Werkstatt von Urbanature in Lützen zwei Personen. Denn Jörg Brachmann hat als Praktikantin Kubra Varol zu Gast. Die 21-jährige Türkin ist im Internet über den Namen des Label Urbanature auf den Produktdesigner gestoßen und hat sich bei ihm um ein Auslandspraktikum beworben.
Die im Labelnamen enthaltene Verbindung von Stadt und Natur war das, was sie angesprochen hat. „Ich möchte mit Naturmaterialien, besonders mit Holz, arbeiten“, spricht sie über ihre Vorstellungen auf der Suche nach dem Praktikumsplatz. Aus Metall hat sie bereits zu Hause in Istanbul einen Stuhl gebaut. Der soll jetzt in Holz entstehen, aber auch ein völlig neues Produkt, das sich einpasst in die Linie von Jörg Brachmann.
„Sommersprossen“ hat er es genannt. Es sollen formschöne Behältnisse werden, in den Samen keimen können, die zum Beispiel als Salatbeilage in der Küche genutzt werden. „Sprouts“ steht in Englisch auf den Entwürfen, die gemeinsam mit einem Töpfer aus Bürgel umgesetzt werden sollen. Denn zunächst einmal ist Englisch die Verständigungssprache zwischen Lehrendem und Lernender. Gespräche über Ideen, Skizzen auf dem Papier, Drei-D-Zeichnungen im Computer, verschiedene Modelle aus Gips... Schritt um Schritt arbeiten sich Brachmann und Varol vorwärts. Wenn die junge Frau nach 48 Werktagen, Anfang August, wieder nach Hause zurückkehrt, soll das neue Produkt von Urbanature am Markt sein. So die Zielstellung.
Kubra Varol studiert an der Technischen Universität Istanbul Industrielles Design. Sie möchte die Welt kennenlernen, viel reisen, viele Eindrücke aufnehmen. Paris kennt sie schon. Auch Deutschland, denn in Essen leben Verwandte, in Berlin hat sie Freunde. Es ist für sie ein attraktives Land. Sie ist dieses Mal vor allem gekommen, um zu lernen. Nicht nur ihr „Handwerk“, sondern auch die deutsche Sprache. Denn die zu können ist Voraussetzung, um ihr Studium mit dem Masterabschluss an der Universität der Künste in Berlin (UTK) zu beenden. Ein Austauschprogramm zwischen der UTK und der TU Instanbul gibt ihrem Wunsch die Basis. Darüber nach Berlin zu kommen ist ihr zusätzliche Motivation für das Sommerpraktikum in Lützen.
Ein so ruhiger Alltag, wie sie ihn in der Kleinstadt nun in diesen Tagen erlebt, hat sie etwas überrascht. Sie kennt das quirlige Großstadtleben, ist zu Hause mitten drin in den politischen Auseinandersetzungen um den Gezi-Park gewesen, ist gewöhnlich jedes Wochenende mit ihrer Theatergruppe unterwegs. Und nun spielt sich ihr Alltag vor allem zwischen dem Dorf Meuchen, wo sie wohnt, und Lützen, wo sie arbeitet, ab. Mit einem Fahrrad bewältigt sie den Arbeitsweg. Zum Essen geht sie gern zu ihren türkischen Landsleuten in Lützen, weil sie dort ein Stück Heimat empfindet.
Begonnen hat ihr Praktikum allerdings mit einem Höhepunkt. Jörg Brachmann hat sie extra ein paar Tage eher anreisen lassen, damit sie ihn in Berlin an seinem Ausstellungsstand während des Internationalen Design-Festivals 2013 unterstützen konnte. Mehr als 500 internationale Aussteller haben dort zeitgenössisches Produkt-Design präsentiert.
„Kontakte aufbauen, das ist sehr wichtig“, das hat Brachmann Varol dort beibringen können. „Und Geduld muss man haben, um auf den Markt zu kommen.“ Der 36-Jährige, der 2006 nach seinem Studium als Holzgestalter eine eigene Werkstatt in Lützen eingerichtet hat, weiß wovon er spricht. Erst als Freiberufler hat er die Bedeutung von Betriebsführung, Werbung und Sich-Bekannt-Machen als Künstler so richtig erfahren. Nach der Ausstellung Designers Open in Leipzig ist er dieses Jahr nun erstmalig in Berlin dabei gewesen.
Weil er sich gern an seine „Lehrjahre“ erinnert, zu denen auch ein längerer Aufenthalt in Rumänien gehörte, hat er Kubra Varol zu sich kommen lassen. „Ich will ihren Mut unterstützen, ins Ausland zu gehen, um zu lernen“, sagt er. In der Jugend nehme man intensiv Anregungen auf. Und außerdem mache es auch Spaß, mit Kubra zu arbeiten, sagt er.