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Kunstführungen „Gehirn eines Hamsters“ - Museumsführer beschimpft Besucher

Er ist schlecht gelaunt, überheblich, brüllt und beleidigt die Besucher - ein „Grumpy Guide“ nimmt sich im Düsseldorfer Kunstpalast Besucher und Museum vor. Die derbe Führung ist ein Riesenerfolg.

Von Dorothea Hülsmeier, dpa 04.07.2025, 06:00
Der schlecht gelaunte „Grumpy Guide“ im Düsseldorfer Kunstpalast ist ein riesiger Publikumserfolg.
Der schlecht gelaunte „Grumpy Guide“ im Düsseldorfer Kunstpalast ist ein riesiger Publikumserfolg. Federico Gambarini/dpa

Düsseldorf - „Mein Name ist Langelinck - und ich warte auf niemanden“, sagt der Kunstführer mit dem Dreitagebart, zu großer Brille und den ausgelatschten Wildlederschuhen. „Und wenn ich einen oder eine von euch dabei erwische, wie Sie mit dem Endgerät vor meinem Gesicht herumfuchteln - hier ist die Tür!“ 

Ohne sich umzudrehen, läuft Joseph Langelinck los und bleibt vor einem Altar aus dem 17. Jahrhundert stehen. Eine Besuchergruppe folgt dem griesgrämigen Kunstvermittler durch die Säle des Düsseldorfer Kunstpalasts und hält sich lieber auf Abstand. Denn jeder und jede kann in der folgenden Stunde zur Zielscheibe des Spotts und der Beleidigungen Langelincks werden. 

Der „Grumpy Guide“ Joseph Langelinck, der in Wirklichkeit Carl Brandi heißt, ist ein Riesenerfolg im Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Die Führungen des 33-jährigen Performance-Künstlers sind auf Wochen ausgebucht, Sondertouren werden angesetzt - nur damit sich die Besucher mal so richtig beschimpfen und demütigen lassen können. 

Gnadenlose Wissensabfrage

Zum Glück erkennt ein Teilnehmer den Erzengel Michael auf einem Bild auf der Rückseite des Altars. „Es hat ja nur eine Aufforderung gebraucht“, mokiert sich der missgelaunte Guide. „Wenn das für Sie so einfach war, dann sagen Sie mir doch auch, wofür in der Mode des 16. Jahrhunderts ein solcher Scheinärmel stand.“ 

Scheinärmel? Bei diesem kunsthistorischen Detail muss die Gruppe passen. „Da hört es dann also schon wieder auf“, höhnt Langelinck. Und schüttelt den Kopf über die Ahnungslosigkeit seiner Zuhörer, die nicht wissen, dass ein Scheinärmel ein Zeichen des Überflusses und des Adels war. 

Einen letzten Versuch unternimmt Langelinck und zeigt auf eine Frau mit einer Schlange an der Brust. „Sind Sie wirklich so uninformiert?“, fragt er in die Runde, um dann triumphierend auszurufen: „Kleopatra“. Die letzte ägyptische Pharaonin soll sich mit dem Biss einer Schlange das Leben genommen haben. 

Unfähige Kuratoren

Im Schnelldurchlauf eilt der Guide durch die Jahrhunderte, lässt Highlights wie Rubens links liegen und verliert sich in der Linienführung eines Bildes über die große Pest. Trotz allem Geschimpfe vermittelt er dabei fundiertes kunsthistorisches Wissen, um sich gleichzeitig über die Unfähigkeit und Eigenmächtigkeit der Kuratoren bei der Hängung der Werke auszulassen. 

Die Gruppe hastet kichernd hinter ihm her. In der Abteilung Moderne echauffiert sich Langelinck über die zahlreichen Stühle, die dort ausgestellt werden, läutet dröhnend eine Glocke, um die Gruppe aufzuwecken und höhnt: „Haben Sie das Gehirn eines Hamsters?“. 

„Behelligen Sie mich nie wieder“

Der Kunstpalast zeigt neben hoher Kunst aus seiner Sammlung auch Alltags- und Designobjekte. Vorbei an einem Gemälde von Max Beckmann stoppt er vor einem VW-Käfer: „Typische deutsche Selbstüberschätzung“. Langelincks Fazit, als er auf Birkenstock-Schlappen neben einem Immendorff weist: „Wenn man Kunst neben Trödel hängt, wird der Trödel nicht zu Kunst, sondern Kunst zu Trödel.“ Am Ende gibt der nörgelnde Langelinck seiner Gruppe noch einen mit. „Behelligen Sie mich bitte nie wieder. Wir sind hier fertig.“ Alle applaudieren. 

Kunst darf auch Spaß machen

Die Idee des schlecht gelaunten „Grumpy Guide“ kommt nach Angaben von Kunstpalast-Direktor Felix Krämer aus der australischen Gastroszene, wo Restaurants mit unfreundlichen Kellnern erfolgreich seien. Dass das erstmals ins Museum übertragene Schlechte-Laune-Konzept so gut ankomme, liege wohl an der Kunstbranche selbst. Diese neige ja dazu, alles immer sehr ernst zu nehmen. In den „hochheiligen Hallen eines Museums“ trauten sich die Menschen in der Regel nur zu flüstern. 

Dabei dürfe Kunst auch Spaß machen und Museen könnten mehr Leichtigkeit gebrauchen. „Man kann sich auch darüber lustig machen, und deswegen fällt kein Bild von der Wand“, so Krämer. „Ich finde es super, wenn der Grumpy Guide sich über unsere Hängung lustig macht, quasi über meine Arbeit.“

Dahinter steckt ein Performance-Künstler

Der Kunstpalast hat Carl Brandi bei einem E-Sport-Event entdeckt. Der Performance-Künstler, der an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, entwickelte die Figur des „Grumpy Guide“ selbst. „Langelinck ist ein frustrierter Kunsthistoriker, der davon überzeugt ist, selbst von den Gründern der alten Düsseldorfer Gemäldegalerie abzustammen und nach seiner Rückkehr hier in die Stadt vorgefunden hat, dass aus seinem persönlichen Empfinden dieses ganze Haus vollständig vor die Hunde gegangen ist“, sagt Brandi. 

„So eine Karikatur einer autoritären Person kann einem, glaube ich, viel von der Schärfe der autoritären Personen nehmen, mit denen man im Alltag zwangsmäßig zu tun hat.“ 

Manchmal grenzwertig

Warum aber tun sich Kunstinteressierte an, dass sie beschimpft und erniedrigt werden? Die Düsseldorferinnen Karina Artz und Britta Daniels finden es gut, dass Langelinck auch „die Leute hochnimmt, die Kunst immer auf so ein Podest stellen“. Etwas mulmig ist einigen Besuchern aber doch.

„Es war schon grenzwertig“, sagt Sandra Kahmann. Sie wurde vom „Grumpy Guide“ gleich zu Beginn auserwählt, ihm exakt alle zehn Minuten die Zeit anzusagen. „Ich wusste nicht, ob ich auch direkt wütend werden oder innerlich eigentlich auch lachen sollte“, so Kahmann. Dazu immer dieser eindringliche Blick Langelincks. „Man kam aus der Situation gar nicht mehr raus.“