Ungeklärter Mordfall Ungeklärter Mordfall: Rätsel um "Schneewittchen"

zeitz/MZ - Ein eigenartiger Geruch veranlasste am 26. August 1996 gegen 10.30 Uhr Bauarbeiter, in den ehemaligen Kasematten in der Moritzburg in Zeitz nachzuschauen, was es damit auf sich hat. Die Arbeiten ließen sie deshalb für einen Moment ruhen, nicht ahnend, dass sie wenige Minuten später eine zum Teil unbekleidete Frauenleiche finden. Trotz der sofort eingeleiteten intensiven Ermittlungsarbeiten wurde der Fall bis heute durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichtsmedizin nicht geklärt.
Das war von Anfang an nicht einfach. „Die Leiche befand sich in einem fortgeschrittenen Fäulniszustand“, berichtete damals Siegfried Koch, Pressesprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd in Halle. Die Sektion der Leiche am Institut für Rechtsmedizin in Halle hatte ergeben, dass die Frau 53 Jahre alt war. Später wurde festgestellt, dass sie aus Halle stammt, aber in der Elsterstadt oft gesehen wurde, weil dort ihre Stiefmutter lebte, wie Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Neufang von der Staatsanwaltschaft Naumburg sagt.
Wochenlang vermisst
Als die Frau gefunden wurde, war sie seit etwa vier Wochen vermisst. Wie sich herausstellte, hatte ihre Schwester eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Festgestellt wurden bei der Toten Kopfverletzungen, am Hals fand man Spuren, die darauf hindeuteten, dass die Frau gewürgt worden war. Aufgrund des Verwesungszustandes könne man davon ausgehen, dass die Frau etwa vier Wochen dort gelegen haben muss.
Der Bereich der Kasematten, in dem kein Licht brannte und in dem keine Bautätigkeit herrschte, sei im Prinzip für jedermann zugänglich gewesen. Da bei der Frau kein Geld sowie keine persönlichen Gegenstände gefunden wurden, komme theoretisch auch ein Raubmord in Frage. Drei Wochen nach dem Verbrechen sind hingegen einige Sachen der Frau in der Nähe der Moritzburg gefunden worden. „Es ist allerdings auch denkbar, dass die Verletzungen am Kopf von einem Sturz gekommen sein könnten“, so Neufang.
Sexualverbrechen kann nicht ausgeschlossen werden
Erschwerend sei hinzugekommen, dass damals DNA-Spuren wissenschaftlich noch nicht in dem Maße verwertet werden konnten, wie das heutzutage der Fall ist, ergänzte der Oberstaatsanwalt. Zwar seien DNA-Spuren ausgewertet worden, merkte er an, aber ohne Erfolg. Aufgrund der Tatsache, dass die Frau teilweise unbekleidet aufgefunden wurde, komme auch die Vermutung eines Sexualverbrechen in Frage. Typische Verletzungen seien allerdings nicht feststellbar gewesen. Und noch vollkommen offen sei auch das Motiv für diese Tat.
„Die eingesetzte Sonderkommission hat selbstverständlich in alle Richtungen ermittelt“, erklärte der Oberstaatsanwalt weiter. So seien unter anderem zahlreiche Befragungen von Personen vorgenommen worden. Aufgestellt wurden verschiedene Denkmodelle, ob möglicherweise ein Selbstmord in Frage komme oder ob sich die Frau die Wunden selbst beigebracht haben könnte. Jedes Mal, wenn im Laufe der Zeit neue Untersuchungsmethoden auf dem Gebiet der Kriminalitätsaufklärung entstanden, gab es zugleich einen Abgleich mit den Spuren der Tat von damals. Hans-Jürgen Neufang: „All das hat aber nicht dazu beigetragen, auch nur einen Schritt weiter voranzukommen. Mord verjährt aber nicht“, so der Oberstaatsanwalt. Aus dem Grund werden alle zwei Jahre die Akten des Verbrechens neu aufgearbeitet. So erfolgt beispielsweise ein Abgleich von DNA-Spuren heutiger Fälle mit dem Vorkommnis von 1996.
Schizophrene Störung?
In Erfahrung wurde aber gebracht, dass die Frau offenbar an schizophrenen Störungen litt. Häufig habe sie bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft vorgesprochen und Behauptungen aufgestellt, die sie nicht beweisen konnte. So sprach die Frau beispielsweise von „versteckten Gefangenenlagern“, die es in der Region gebe. Darüber hinaus machte sie Rückführungsansprüche auf Schloss Moritzburg geltend. Sie behauptete außerdem, dass sie mit dem englischen Königshaus verwandt sei.
Besonders auffällig sei ihre Kleidung gewesen. Ob auf diese Weise ihr Spitzname „Schneewittchen“ entstanden ist, sei jedoch nicht feststellbar, sagt Neufang. Fest steht nur, „Schneewittchen“ hielt Polizei und Staatsanwaltschaft auf Trab. Letztlich bis heute.