Starke Frauen Starke Frauen: Von der Maurerlehre zum Chefsessel

Naumburg - Um zu lernen, wie man sich durchsetzt, konnte es wohl kaum eine bessere Lehrzeit geben als seinerzeit auf dem Bau. „Als junge Bauingenieurin war ich als Bauleiterin eingesetzt und hatte die Verantwortung für eine Baustelle mit 50 Männern“, erinnert sich Angelika Renner. Ein Zuckerschlecken sei das nicht gewesen, aber sie habe die Sache gemeistert, sagt die heutige Dezernentin im Landratsamt des Burgenlandkreises.
Angefangen hat alles mit einer Maurerlehre. Was sie damals gelernt hat, kann sie auch noch heute. Mauern, Putzen, Fugen - das beherrscht Angelika Renner, auch wenn sie es nicht mehr anwendet. Aber dafür kann ihr auf einer Baustelle auch keiner ein X für ein U vormachen. Nun sind Baustellen im Burgenlandkreis nicht ihre primären Arbeitsstellen. Aber da das Bauamt zu ihrem Dezernatsbereich gehört, bleiben Begegnungen auf dem Bau nicht aus, zum Beispiel auf den Schulbaustellen im Kreis.
Maurerlehre statt EDV
Ursprünglich wollte sie etwas mit elektronischer Datenverarbeitung machen, sagt die 55-Jährige. Aber weil das damals in den 1970er Jahren in der Zemag Zeitz nicht ganz so geklappt hat, wie sie sich das vorgestellt hatte, erinnerte sie sich an die handwerkliche Familientradition. „Mein Großvater war Glasermeister, das hat mich immer sehr interessiert“, sagt Renner. Nun, eine Glaserlehre wurde es nicht, dafür eben die Maurerausbildung „Aber mein Vater hat gesagt, Mädchen, das hältst du nicht durch als Frau ein Leben lang auf dem Bau, du musst studieren“, erinnert sie sich lachend. Das wollte sie letztlich auch und aus der Maurerin wurde eine Bauingenieurin mit den schon geschilderten Folgen auf dem Bau im Auftrag des damaligen Bau- und Montagekombinats.
Dabei wäre es vielleicht auch geblieben, wenn nicht die politische Wende 1989 auch viele wirtschaftliche Entwicklungen infrage gestellt hätte. Also wechselte sie erst einmal in die Reinigungsfirma ihres Mannes. „Aber die Arbeit befriedigte mich nicht. Außerdem waren die Arbeitszeiten tödlich für die Familie“, so Renner. Sie habe früher manchmal gesagt, sie mache jede Arbeit. „Heute würde ich das nicht mehr wiederholen.“ Sohn Michael, der 1983 geboren worden war, brauchte mehr Zuwendung. „Das war mit einem Job in der Reinigungsbranche, wo ich unter anderem auch nachts ran musste, nicht zu machen“, sagt Angelika Renner.
Karriere im Rechnungsprüfungsamt
Sie bewarb sich 1990 sowohl beim Landratsamt Zeitz als auch bei der Stadtverwaltung ihrer Heimatstadt. „Weil ich im Landratsamt einen Monat früher anfangen konnte, nahm ich die Stelle an.“
Zuerst landete sie im Rechnungsprüfungsamt, wurde später auch dessen Leiterin. Das blieb Angelika Renner auch nach der 1994er Fusion zwischen den drei Kreisen Zeitz, Naumburg und Nebra zum ersten Burgenlandkreis. Der September 2003 wurde dann aus beruflicher Sicht zu einem ihrer größten Glückstage, sie konnte ins Bauamt wechseln und war ab Januar 2004 dessen Leiterin. „Das war schon ein schönes Gefühl“, meint sie rückblickend, konnte sie doch hier nun ihre Kompetenz so richtig einbringen.
Doch für Angelika Renner gab es noch eine weitere Wende. Lesen sie weiter auf der nächsten Seite.
Dass es später noch einmal einen Wechsel geben sollte, ahnte sie nicht. Aber sie hat auch nicht gezögert, Ja zu sagen, als ihr nach der nächsten Kreisfusion mit Weißenfels die Dezernatsleitung angetragen wurde, die sie schon eine Zeit lang kommissarisch innehatte, als ihr Vorgänger erkrankt war. Seit Oktober 2011 ist Angelika Renner für sieben Ämter in der Kreisverwaltung die Chefin und für 215 Mitarbeiter. „Dass zu meinem Verantwortungsbereich auch das Bauamt gehört, freut mich natürlich“, sagt sie. Aber im Dezernat sind auch solche wichtigen Bereiche wie Ordnungsamt, Brand- und Katastrophenamt, Kommunalaufsicht, das Ordnungs- und das Straßenverkehrsamt gebündelt.
Arbeitstage mit zwölf Stunden
Ist das nun einfacher als seinerzeit die Chefin von 50 Männern auf dem Bau zu sein? Irgendwie schon, sagt Angelika Renner. Vor allem deshalb, weil sich das Verhältnis der Männer zu einer Frau als Chefin in den letzten 30 Jahren doch erheblich gewandelt habe. Was am konkreten Beispiel der Kreisverwaltung auch etwas mit den aktuellen Realitäten zu tun hat. Grundsätzlich werde Frauen in der Verwaltung kein Weg verbaut, sagt die Dezernentin. Immerhin werden im Landratsamt acht der 20 Ämter von Frauen geleitet.
Durchsetzungs- und Stehvermögen brauche man trotzdem. „Allerdings wird man mit den Jahren auch etwas gelassener“, sagt Renner. Dennoch, die Resolutheit, die sie auf dem Bau gelernt hat, nütze ihr bis heute, ebenso das Wissen, das sie in ihrem alten Handwerksberuf und als Bauingenieurin erworben habe.
Da nimmt sie in Kauf, dass mancher ihrer Arbeitstage zwölf Stunden lang ist. „Aber ich versuche auch, mir meine Freiräume zu erhalten.“ Dann geht sie mit ihrem Mann wandern oder ist mit dem Fahrrad in der Region unterwegs. Außerdem spielt ihre sechsjährige Enkelin eine wichtige Rolle in ihrem Leben. „Und ich freue mich jetzt schon darauf, dass es im Sommer bei meinem Sohn erneut Nachwuchs gibt.“