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Sand und Lagerkoller Soldat Robert Habermann aus Weißenfeld in Mali Terrorismus und Lagerkoller

Von Julius Lukas 07.05.2019, 10:00
Sand ist in Mali allgegenwärtig - das lernen die Bundeswehr-Soldaten vom ersten Tag an.
Sand ist in Mali allgegenwärtig - das lernen die Bundeswehr-Soldaten vom ersten Tag an. Robert Habermann

Weißenfels - Den Sand wird Robert Habermann nicht los. „Meine Sportsachen habe ich jetzt schon mehrfach gewaschen - aber die kleinen Körner sind noch immer nicht ganz verschwunden“, sagt der Bundeswehrsoldat aus Weißenfels im Burgenlandkreis.

Mitte April ist er aus seinem Einsatz in Mali wiedergekommen. Über vier Monate war der 47-Jährige in dem afrikanischen Land, dessen Staatsgebiet zu großen Teilen zur Sahara gehört - der größten Wüste der Welt. Sand ist da allgegenwärtig. „Und ein bisschen davon habe ich eben mit nach Hause genommen“, sagt Habermann.

In Mali war der Oberstleutnant einer von 1028 deutschen Soldaten. Die Bundeswehr hat dort ihren derzeit zweitgrößten Auslandseinsatz. Das Mandat dafür läuft Ende Mai aus. Doch die Bundesregierung will die Streitkräfte vor Ort lassen, um Malis Stabilität zu stärken. In dem Land sind Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggler höchst aktiv. Es gilt zudem als Durchgangsstation auf dem Weg von Flüchtlingen nach Europa. Ob der Einsatz verlängert wird, soll der Bundestag an diesem Donnerstag entscheiden.

Zerissenes Land: Bundeswehr soll Mali schützen

Die deutschen Truppen, die in Mali stationiert sind, gehören zu zwei Missionen. In der kleineren bilden sie malische Sicherheitskräfte aus. Der größere Einsatz ist Teil von Minusma, der Friedensmission der Vereinten Nationen (UN) in Mali. Mit 11.000 Blauhelmsoldaten will die internationale Staatengemeinschaft die Sicherheitslage im Land verbessern.

Mali gilt als zerrissen zwischen Rebellengruppen im Norden und dem von der Regierung kontrollierten Süden. In den zentralen Provinzen brechen immer wieder ethnische und soziale Konflikte auf. Es gibt terroristische Angriffe und Massaker wie Mitte März in Ogossagou. Dort töteten Angreifer 160 Dorfbewohner. Autos wurden verbrannt, das Vieh gestohlen.

„Wenn so etwas passiert, dann erreicht das einen vor Ort natürlich mit einer ganz anderen Intensität“, sagt Robert Habermann. Als es zum Überfall auf das Dorf kam, war er noch in Mali. „Es gibt dort viele Waffen, mit denen auch Konflikte ausgetragen werden“, erzählt der Soldat. „Das schlimme ist, dass darunter die Zivilbevölkerung leiden muss.“ Eine Strategie der Terroristen sei es, gezielt Schule, Eltern und Lehrer zu attackieren und zu bedrohen. „Denn der größte Feind der Radikalisierung ist die Bildung.“

Bundeswehr in Mali: Lebendige Zivilgesellschaft

Umso erstaunter, sagt Habermann, sei er über den Mut und Enthusiasmus, den er in Mali erlebt hat. „Ein Lehrer erzählte mir begeistert von seiner Schule.“ Er habe das Gebäude saniert, Solarzellen installiert und kleine Beete gepflanzt - damit er auch Schulgarten unterrichten kann. „Und trotz der oft schwierigen Bedingungen hat er nicht geklagt.“

Diese positive Einstellung erlebte der Soldat aus Weißenfels oft. „Die Menschen sind enorm aufgeschlossen und schaffen es, trotz der vielen Konflikte in ihrem Land eine lebendige Zivilgesellschaft zu erhalten.“ Demonstrationen gebe es in Mali ebenso wie Musikfestivals. „Und auch eine sehr kritische und bunte Medienszene“, sagt Habermann.

Mit der hatte er besonders viel zu tun - berufsbedingt. Denn der Weißenfelser ist als Presseoffizier bei der Bundeswehr. Und im Auslandseinsatz ist das - rein räumlich - kein Vergnügen. „Wir waren zu dritt in einem Büro, in dem man nicht einmal umfallen konnte, weil es so klein war.“ Allerdings nimmt Habermann die beengte Situation im Camp Castor - so heißt das Lager in Gao, in dem die Deutschen in Mali untergebracht sind - sportlich: „Wir sind ja nicht im Urlaub, sondern in einem Auslandseinsatz - da erwartet man ohnehin keine riesigen Büros oder besonders viel Privatsphäre.“

Bundeswehr in Mali: Harte Bedingungen im Camp der Soldaten

Auf Dauer seien die Bedingungen im Camp aber nicht einfach. „Man hat wenige Möglichkeiten, um den anderen auszuweichen.“ Es gebe zwar zwei Fitness-Räume und eine Cafeteria, in der auch mal Filme oder Fußballspiele gezeigt werden. „Aber ich war trotzdem immer ganz froh, wenn ich mal raus konnte und bei einer Patrouille dabei war.“

Raus aus Camp Castor - das bedeutete nicht nur, der Begrenztheit des Lagers entfliehen zu können, sondern auch: Das Land und seine Bevölkerung kennenlernen - ein wichtiger Aspekt für Habermann. Der Familienvater ist ein militärischer Weltenbummler.

Derzeit beteiligt sich Deutschland an zwölf internationalen Einsätzen. Das größte Streitkräfte-Kontingent ist dabei in Afghanistan. Dort sind aktuell 1189 Soldaten im Einsatz. Die von der Truppenstärke her zweitgrößte Mission findet in Mali statt. Dort sind in zwei Einsätzen insgesamt 1028 Soldaten vor Ort. Dahinter folgt die Operation in Syrien/Irak, wo sich 450 Bundeswehrkräfte im Anti-IS-Einsatz befinden. 357 Marine-Soldaten sind zudem auf Schiffen im Mittelmeer aktiv, um den Seeraum zu überwachen und den Terrorismus zu bekämpfen. Weitere Einsätze finden im Libanon (128 Soldaten), rund um das Horn von Afrika (78), im Kosovo (64) sowie im Südsudan (13) statt. Hinzu kommt noch die Luftrettung Verwundeter, die 48 Einsatzkräfte unterstützen. Die wenigsten Soldaten sind bei den Friedensmissionen im Sudan und Südsahara (je drei) aktiv.

Achtmal war er schon im Auslandseinsatz: Afghanistan, Kosovo, Irak, und auch auf See ist er schon gewesen. „Von den Tätigkeiten für mich als Presseoffizier ähneln sich die Einsätze natürlich“, sagt Habermann. Allerdings hat jeder Aufenthalt seine eigenen Einsichten. „Im Kosovo, wo ich 2007 war, habe ich gemerkt, wie lange es dauert, bis ein Land nach einem Konflikt zur Normalität kommt.“

Robert Habermann: Afghanistan war der härteste Einsatz

In Afghanistan 2011 hingegen erlebte er einen seiner anstrengendsten Einsätze. Damals gab es in dem asiatischen Staat intensive Kampfhandlungen, denen auch deutsche Soldaten zum Opfer fielen. „Das fordert einen auf eine ganz andere Art“, sagt Habermann. In Mali musste er „zum Glück“ keine solchen Meldungen verkünden. Allerdings gilt Minusma als verlustreichste Mission in der UN-Geschichte. 180 Blauhelme sind in Mali schon gestorben - auch deutsche: Im Juli 2017 verloren zwei Soldaten bei einem Hubschrauber-Absturz ihr Leben.

In eine gefährliche Situation ist Habermann selbst nie geraten. „In Mali sind uns bei den Patrouillen vor allem offene, freundliche Menschen begegnet.“ Besonders in Erinnerung ist dem Oberstleutnant ein Kind. „Das war so ein ganz stolzer malischer Junge, der einfach auf mich zukam und mit mir abklatschte.“

Überhaupt hätten die Kinder die geringsten Berührungsängste - wie überall. „Die nahmen unsere Soldaten immer an die Hand und marschierten mit durch die Stadt.“ Das sei ein großer Vertrauensbeweis. „Und es zeigt auch eine gewisse Erwartungshaltung an die internationale Gemeinschaft: Wir nehmen euch an die Hand und ihr uns.“

Dieser direkte Kontakt mit den Menschen vor Ort, die ihre Probleme und Bedenken schildern, ist allerdings nur ein Teil des Einsatzes der Bundeswehr in Mali. Hinzu kommt noch die Aufklärungsdrohne Heron, die sich im Dauereinsatz befindet. „In unwägbarem Gelände - und davon gibt es in Mali viel - leistet sie extrem gute Aufklärungsarbeit“, sagt Habermann. Die Bundeswehr gilt so vor allem bei der Beurteilung der Sicherheitslage als wichtiger Partner. „Die anderen Nationen schätzen dieser Arbeit sehr.“

Bundeswehr in Mali: Kritik am Einsatz

Aber es gibt auch kritische Stimmen zum Einsatz in Mali. Bemängelt wird, dass der Auftrag nicht klar genug sei. Das Hauptziel, die verschiedenen Interessengruppen im Land zu versöhnen, könne die Bundeswehr gar nicht erfüllen - dafür fehle ihr der diplomatische Zugang. Die Verlängerung der beiden Mali-Missionen am Donnerstag gilt aufgrund der Koalitions-Mehrheit im Bundestag trotzdem als sicher.

Für Robert Habermann könnte das bedeuten, dass er noch einmal in das afrikanische Land zurückkehrt. Im Irak war er zweimal, in Afghanistan sogar dreimal. „Aktuell weiß ich noch nicht, wohin ich als nächstes gehe“, sagt er. Erst einmal sei aber ohnehin seine Familie dran. „Die Unterstützung meiner wunderbaren Frau und meiner beiden tollen Töchter hat mich durch den Einsatz getragen“, erzählt der langjährige Bundeswehr-Soldat.

Und auch wenn er Mali nicht erneut betritt, bleibt ein Teil des Sahara-Staates immer bei ihm. Anders als seine sandigen Sportsachen, wäscht der Weißenfelser seine Mütze, die er jeden Tag auf dem Kopf hatte, nämlich nicht. „Die bleibt als Erinnerung so staubig und gebraucht, wie sie ist“, sagt Robert Habermann. (mz)

Auf den Patrouillen waren es vor allem die Kinder, die Kontakt aufnahmen, erzählt Robert Habermann (rechts).
Auf den Patrouillen waren es vor allem die Kinder, die Kontakt aufnahmen, erzählt Robert Habermann (rechts).
Guido Ritter