Rückblick 2013 Rückblick 2013: Die große Dankbarkeit nach dem Blitzeinschlag

Wengelsdorf/MZ - Das Jahr 2013 ist vorüber. Auch für Eunice, Haylie, Nancy und Jens Nagl aus Wengelsdorf. Es war ein Jahr, welches die vierköpfige Familie an ihre Grenzen brachte. Dabei wollten sie es so richtig genießen. Nach Jahren Bauzeit waren nun endlich auch die letzten Räume des Eigenheims renoviert. Doch aus der Entspannung wurde nichts. Am 15. Mai schlug der Blitz ein.
Mittlerweile haben sie geschafft, was sie angesichts des ganzen Schadensausmaßes damals kaum zu hoffen wagten: Sie sind noch vor dem Weihnachtsfest wieder in ihr frisch renoviertes Häuschen eingezogen. Wenn Nancy Nagl auf ihrem neuen brauen Sofa sitzt, nachdenklich auf den Tannenbaum in der Ecke schaut und zurückblickt, werden ihre brauen Augen noch ein Stück dunkler. Denn ein ganz tiefes Gefühl ist bei ihr und den anderen Familienmitgliedern fest verwurzelt: Dankbarkeit.
Das ging schon am Tag eins nach dem Unglück los. Die Nachbarn und andere Dorfbewohner kamen, machten nicht viele Worte, sondern packten mit an. Die Frauen nahmen die gefrorenen Lebensmittel aus dem Hause Nagl mit und brachten sie in ihren eigenen Kühltruhen unter. Die Männer fingen mit den Aufräumarbeiten an. So blieb es die ganzen Monate.
Hartnäckig folgte er seinem Ziel
„Die Welle der Hilfsbereitschaft riss einfach nicht ab“, ist Nancy Nagl noch heute beeindruckt. Was sie und Jens Nagl auch kaum glauben konnten: Es gab keine Neider. Jeder gönnte der Familie, dass sie sich Stück für Stück ihr Leben wieder aufbauten - mit farbigen Wänden, einer neuen Küche, neuen Fliesen und neuen Möbeln. Aber was sollten sie auch machen. Es war ja tatsächlich fast alles den Flammen und dem Wasser zum Opfer gefallen. „Also, sollte mal wieder ein Blitz einschlagen wollen, ich werde nicht ’hier’ rufen“, nimmt es der Familienvater mit Galgenhumor. Er sieht wesentlich besser aus als noch vor einigen Wochen. Das stand es ihm tatsächlich ins Gesicht geschrieben, dass er sich praktisch keine ruhige Minute gönnte. Hartnäckig folgte er seinem Ziel, die Familie wieder in ihrem Zuhause unterzubringen. Unermüdlich verputzte, strich, montierte der 38-Jährige. Und bis zum Schluss standen ihm die helfenden Männer beiseite. „Der eine länger, der andere später“, sagt er und es ist dem Mann anzumerken, dass er das nie vergessen wird.
Nancy Nagl sah ihren Mann selten. „Man kann schon sagen, dass wir eigentlich fast ein halbes Jahr getrennt verbracht haben“, sagt sie. Aber auch sie war in dieser Zeit nicht allein. Familie Kuhlert, die die Brandopfer noch in der Schicksalsnacht bei sich aufnahm, kam später regelmäßig zum Kaffeetrinken in der Übergangswohnung vorbei. Auch dafür ist sie dankbar. Ebenso den vielen Frauen, die ihr beim Waschen der verrußten Wäsche halfen und mit anpackten, als das Haus geräumt werden musste.
In dieser Zeit feierten die Nagls eine Party - als Dankeschön für die Helfer. Mehr als 40 Männer und Frauen waren dabei. Gegessen wurde von Papptellern. „Nichts besonderes, aber es war schön“, so Nancy Nagl bescheiden. Sie saßen alle zusammen, merkten, dass sie in den vergangenen Monaten ein Stück mehr zusammengerückt sind. Die Idee keimte auf, solch eine Feier in jedem Jahr zu veranstalten. Auch ohne Unglück. „Wenn es ein Gutes hatte, dann das“, so Jens Nagl. „Wir haben uns ja vorher auch alle schon gut verstanden“, fügt Nancy Nagl hinzu. Aber irgendwie sei alles intensiver geworden. Auch dafür ist sie dankbar. Zu wissen, da sind Menschen, die lassen einen nicht alleine.
Vor wenigen Tagen kam auch der unbekannte Rentner aus Naumburg wieder vorbei. Er hatte der gebeutelten Familie unmittelbar nach dem Unglück 500 Euro gegeben. Seinen Namen wollte er nicht nennen. Aber es interessierte ihn, wie es der Familie heute geht.
Böse Geister verjagen
Gut geht es ihr. Die zwölfjährige Eunice fühlt sich in ihrem Zimmer wohl. Sie erinnert sich auch noch gern an den Kuchenbasar ihrer Klasse und das Sommerkonzert des Goethe-Gymnasiums, deren Erlöse der Familie zugute kamen. Haylie kämmt ihrer Puppe die Haare. „Ich finde das schön, dass ich meine Barbys wieder habe“, sagt die Vierjährige. Auf einen Großteil des Spielzeugs hatte das Mädchen verzichten müssen, weil es in Kartons eingelagert war.
Diese wurden vor einigen Tagen zurück zum Haus der Nagls gebracht. 90 Stück, weiß Nancy Nagl noch ganz genau. Und wieder standen die Freunde vor der Tür, boten an, mit auszupacken. Nancy Nagl hat die Kisten aber jetzt lieber doch alleine ausgeräumt. Einmal, um auszusortieren, und zum anderen, um sich ihre eigene Ordnung zu schaffen. Sie hat es fast geschafft, nur noch vereinzelt sind Kisten zu sehen. „Alles findet seinen Platz“, ist sie optimistisch. Demnächst sollen auch die Rauchmelder an den Zimmerdecken hängen. Bald wird es ein in sich geschlossenes Warnsystem geben. Das ist Jens Nagl wichtig. Als das Unglück geschah, sah er selber nur einen Blitzeinschlag im benachbarten Baum. Nur dadurch, dass jemand bei ihm an der Haustür klingelte und ihm sagte, dass der Dachstuhl brennt, bekamt der Mann überhaupt von dem Unglück mit.
Jens Nagl ist eigentlich ein sparsamer Mann. In diesem Jahr wird er aber wohl den ein oder anderen Euro mehr als sonst in Feuerwerkskörper investieren. „Um die bösen Geister aus diesem Jahr endgültig zu verjagen“, kündigt er an.