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Kultur in Weißenfels Kultur in Weißenfels: Ernster Punk direkter Dichter

Von Julia Reinard 09.02.2014, 22:03
Ralph Grewe interpretiert Texte François Villons. Hinter ihm warten die Musikerinnen auf den Einsatz.
Ralph Grewe interpretiert Texte François Villons. Hinter ihm warten die Musikerinnen auf den Einsatz. Michael Thomé Lizenz

Weissenfels/MZ - Es gibt nicht nur die Gnade der späten Geburt - es gibt auch die der späten Übersetzung. Der französische Dichter und Vagabund François Villon lebte im Mittelalter, sein bekanntestes Poem heißt „Großes Testament“ und entstand 1461/62. Ins Deutsche übersetzt wurde es erst fast 500 Jahre später. Berühmt wurde die sehr freie Übertragung Paul Zechs von 1931, bei der Villon klingt wie ein moderner Zeitgenosse: ironisch, kritisch, klar.

Das konnten die gut 40 Besucher des François-Villon-Abends am Samstag im Weißenfelser Heinrich-Schütz-Haus erfahren. Einige kannten nur den Namen des Dichters oder ließen sich aufs Unbekannte ein wie Udo und Karin Hamp. „Es hat uns gereizt, weil es mal was anderes war“, erklärt Karin Hamp. Und ihr Gatte ergänzt: „Die Balladen waren sehr interessant und der Abend hat uns überrascht.“ Im Positiven - denn sie fanden ihn „sehr gut“.

Das verwundert nicht, schaffte das kurzweilige Programm doch eine Verbindung mittelalterlicher Lyrik mit Barockmusik. Susanne Ehrhardt auf den Flöten und Sabine Erdmann am Cembalo entführten in unterhaltende Melodien Marco Uccellinis, Angelo Notaris oder Giovanni Paolo Cimas. Im Wechsel musizierten die Frauen und mimte Schauspieler Ralph Grawe den rasenden Dichter.

Villon war mehrfach in Haft

Sein erster Satz ein Schrei. Die ersten Reime voll Wut wider Ungerechtigkeit, Gefangenschaft und Kirche. „Auch Jesus, der so hell brennt wie ein Stern, der schont gewiss nicht all die feinen Herrn, die mir so manche Freude stahlen bei Nacht und auch bei Tageslicht; sie werden es im Feuerofen zahlen, mit keinem Geld entgeh’n sie dem Gericht.“

Grawes Herkunft als Theaterschauspieler merkt man ihm an, auch wenn er jetzt viel fürs Fernsehen macht. Er spielte nicht den darbenden Dichter, dem im letzten Fazit nur Ehrlichkeit etwas gilt - er war es. Dabei war dieser Villon kein unbeschriebenes Blatt, gehörte einer kriminellen Bande an, saß mehrfach im Knast. Einmal bewahrte nur eine Amnestie ihn vor dem Strick. Und auch Nachdichter Paul Zech hatte einiges auf dem Kerbholz. Er erfand seine Biografie immer neu, verscherzte es sich mit jedem. Selbst sein Villon ist keine Übersetzung des Altfranzösischen, sondern eine Neudichtung auf Basis einer anderen Übersetzung. Und doch - sie ist grandios. Zech macht aus Villon einen ernsten Punk. Einen, der ausspricht, was gesagt werden muss, mal derb, mal erotisch, mitunter ironisch, immer konkret.

Kinski macht Gedicht legendär

Zech ging noch weiter: Er fügte selbst Erdichtetes hinzu, das teils berühmter wurde als Villons eigene Zeilen. Klaus Kinski - auf andere Weise verrückt als die Dichter - machte aus einem Zechschen Neu-Gedicht im Stil Villons seine berühmte Interpretation von „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“. Auch davon hörten die Zuschauer in Weißenfels Ausschnitte - nur der berühmte Satz blieb weg. Es war trotzdem ein Gedicht.