Nach Debatte um "Immigranteninvasion" Jürgen Mannke: Keine Reue nach Äußerungen über Zuwanderung

Weißenfels - An einer Wand seines Büros hängt eine Urkunde mit einem rosa Herz: erster Platz in der Kategorie „coolster Lehrer“. „Ich bin sehr beliebt bei meinen Schülern“, sagt Jürgen Mannke.
Bei vielen anderen hatte sich der Rektor des Weißenfelser Goethe-Gymnasiums im November 2015 aber unbeliebt gemacht: In der Mitgliederzeitschrift warnte der damalige Vorsitzende des Philologenverbandes vor einer „Immigranteninvasion“ und sexuellen Belästigungen durch Asylbewerber.
Die Äußerungen lösten bundesweit Empörung aus. Mannke, 61, und seine Co-Autorin Iris Seltmann-Kuke bekamen aber auch viel Zustimmung. Nun hat Mannke den Fall in einem Buch aufgearbeitet, Titel: „Im Land der verschwiegenen Wahrheiten - Auf dem Schafott der politischen Meinungsbildung“. Mit dem Pädagogen sprach unser Redakteur Alexander Schierholz.
Herr Mannke, der Buchtitel ist ja starker Tobak. Wer hat sich den denn ausgedacht?
Jürgen Mannke: Das war ein langer Prozess, an dem viele mitgewirkt haben, die Lektorin im Verlag genauso wie Freunde von mir. Der Titel ist überspitzt, aber er soll ja Interesse wecken.
Wer oder was liegt Ihrer Meinung nach auf dem Schafott?
Mannke: Das ist ein Bild. Ich wollte damit ausdrücken, dass man hierzulande sofort in die Nazi-Ecke gestellt wird, wenn man sich kritisch zur Flüchtlingskrise äußert. Dann kommt das Fallbeil.
Sie fühlen sich in die Nazi-Ecke gedrängt?
Mannke: Ich bin von einigen meiner Kritiker als Nazi hingestellt worden. Mir wird jetzt noch übel, wenn ich daran denke. Mein Vater saß als politischer Häftling in einem Nazi-Konzentrationslager, da tut eine solche Unterstellung besonders weh.
Warum dieses Buch?
Mannke: Ich wollte die ganze Sache für mich aufarbeiten, als eine persönliche Karthasis, wenn Sie so wollen. Ich habe die Zuschriften, die ich bekommen habe nach dem Beitrag, zunächst ein halbes Jahr lang weggelegt, dann habe ich sie mir angeschaut.
Was hat überwogen: Zustimmung oder Kritik?
Mannke: Von den 3 100 Zuschriften aus ganz Deutschland, Kommentare auf Facebook nicht mitgezählt, waren nur 270 wirklich gegen mich gerichtet.
Sie haben gezählt?
Mannke: Ich habe gezählt. Ich möchte da genau sein.
Geht es Ihnen jetzt besser, da Sie das Buch geschrieben haben?
Mannke: Hundertprozentig. Das hat mir sehr gut getan. Auch, dass ich quasi von der Wirklichkeit bestätigt worden bin. Das hat mir Genugtuung bereitet.
Wie meinen Sie das?
Mannke: Die Silvesternacht in Köln 2015 hat leider bestätigt, wovor ich immer gewarnt habe.
Das ist eine Genugtuung für Sie?
Mannke: Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich verspüre da kein Triumphgefühl; mir wäre es lieber gewesen, ich hätte nicht Recht gehabt. Die Ereignisse von Köln haben mich sehr betroffen gemacht. Aber danach waren plötzlich alle meiner Meinung. Im November, kurz nach der Veröffentlichung in der Mitgliederzeitschrift, war ich auf einer Schulleiter-Tagung. Da haben mich einige Kollegen, die mich lange kennen, nicht mehr gegrüßt. Im Januar, nach Köln, waren sie dann plötzlich wieder ganz freundlich. Da habe ich mir nur gedacht: Was seid ihr für armselige Opportunisten!
Im Buch zitieren Sie aus mehreren Zuschriften, in denen über Belästigungen und sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge berichtet wird. Auch das wirkt wie eine Bestätigung Ihrer Ansichten. War das gewollt?
Mannke: Natürlich. Ich wollte zeigen, wie viele Menschen davon betroffen sind.
In Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr 0,7 Prozent aller Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, darunter Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, von Zuwanderern begangen, gegenüber 0,4 Prozent im Vorjahr. Das sind 102 von 1 480 derartigen Delikten, im Vorjahr waren es 41 von 1 439. Malen Sie angesichts dieser Zahlen mit den Schilderungen im Buch nicht ein falsches Bild?
Mannke: Es gibt da sehr viele unterschiedliche Statistiken. Ich gebe nur wieder, was Medien berichtet haben oder was mich an Zuschriften erreicht hat. Von denen ich übrigens nur einen kleinen Teil veröffentlicht habe.
Machen Sie es sich damit nicht zu einfach, wenn Sie die Datenlage gar nicht kennen?
Mannke: Das sehe ich nicht so. Jedes solcher Delikte ist eines zu viel. Es geht auch um Aufklärung. Nicht nur die Situation der Opfer ist entsetzlich, sondern auch die Täter aus dem Kreise der Flüchtlinge sind in einer misslichen Lage, weil sie vorerst kaum Chancen auf echte Integration haben. Damit will ich aber keineswegs eine solche Straftat entschuldigen. Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das die Gesellschaft spaltet.
Sie haben sich Ende 2015 zweimal entschuldigt für Ihre Äußerungen in der Verbandszeitschrift. Im Buch liest sich das etwas anders. Haben Sie etwas zurückzunehmen?
Mannke: In der Sache habe ich nichts zurückzunehmen, allerdings in der Wortwahl. Den Begriff „Invasion“ würde ich so nicht noch einmal verwenden. Und ich räume ein, dass meine Äußerungen als eine pauschale Abwertung von Migranten verstanden werden konnten. Das war aber nicht so gemeint. Es liegt mir fern zu pauschalisieren.
Haben wir verlernt, sachlich miteinander zu reden?
Mannke: Zum Teil ja. Mein Eindruck ist, dass es häufig an Bereitschaft fehlt, einander zuzuhören und andere Meinungen gelten zu lassen. Andere von vornherein in eine bestimmte Ecke zu schieben, das raubt jedem möglichen Gespräch die Basis. Kritik darf nicht in persönliche Beleidigung abgleiten.
Inwiefern haben Sie da selbst Nachholbedarf? Sie beklagen im Buch zu Recht Kommentare, in denen Sie verunglimpft werden. Andererseits rücken Sie zum Beispiel Journalisten, die sich kritisch mit Ihnen auseinandergesetzt haben, zum Teil in die Nähe von Propagandisten der SED. Wie passt das zusammen?
Mannke: Ich mag an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas zu impulsiv gewesen sein. Wir sind hoffentlich alle lernfähig. Aber wenn einige Journalisten mich als untragbaren Pädagogen bezeichnen, weil ich nicht in die Willkommenseuphorie einstimme, dann erinnert mich das schon an Praktiken von Stalinisten. (mz)