Jubiläum in Uichteritz Jubiläum in Uichteritz: Familienbetrieb Sturm gibt es seit 100 Jahren

Uichteritz/MZ - Luca könnte sich auch vorstellen, mal Mähdrescher zu fahren, doch sein Herz schlägt schon jetzt für ein Handwerk, das mit Holz zu tun hat. Vater Raik (42), der die Stellmacherei, Zimmerei und Tischlerei in Uichteritz seit fünf Jahren führt, und Großvater Günter (66) freut’s. Überhaupt ist der Fünfjährige Opas ganzer Stolz, hat er ihn bereits mit einer kleinen Werkbank und Akkuschrauber ausgestattet.
Hatte Günter Sturm noch vor zehn Jahren selbst die Festrede gehalten, so war es nun dem Junior-Chef vergönnt, zum 100. Bestehen vor über 160 Gästen eine erfolgreiche Firmengeschichte Revue passieren zu lassen. Und immerhin sind die Weichen bereits vor 15 Jahren mit der Ansiedlung des kleinen Unternehmens mit seinen sechs Beschäftigten im Gewerbegebiet auf dem Mühlberg weit in die Zukunft gestellt worden.
Günter Sturm hatte schon als Dreikäsehoch die Ackerwagen streichen dürfen. Und wer mit vier Jahren bereits Verantwortung tragen darf, der wächst Stück für Stück in den Beruf hinein. Dass er dann dennoch das Abitur in der damaligen Goethe-Oberschule machte, hatte damit zu tun, dass er beim Vater nicht lernen durfte. Weil die DDR aber Mitte der 1960er Jahre ihre strengen Bestimmungen, die Privatunternehmer trafen, lockerte, kam Günter Sturm doch noch zu seinem Berufsabschluss.
Im Oktober 1913 eröffnete Ernst Sturm die Stellmacherei in der Uichteritzer Mittelgasse. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vor allem Ackerwagen hergestellt und die dazugehörigen Räder repariert. Sohn Kurt übernahm 1946 die Firma, Günter Sturm folgte 1978 und dessen Sohn Raik 2008. Mitte der 1980er Jahre entstand eine neue Werkstatt in der Mittelgasse 21 und 1997 gab es wegen der Dachstuhlherstellung den Umzug in einen Ex-Stall auf dem Mühlberg.
Es waren Zeiten des Umbruchs, denn mit der Gründung von Genossenschaften auf dem Lande verschwanden die Ackerwagen, doch auch Lastwagen und Hänger hatten hölzerne Aufbauten und Vater Kurt entdeckte in den 1950er Jahren eine Marktlücke: Tourenski wurden nun fast 20 Jahre lang hergestellt, und Günter Sturm sagt: „Die waren auf der Leipziger Messe zu sehen und so begehrt, dass die Leute kurz vor Weihnachten Schlange standen und der Lack kaum trocken war, als sie unterm Tannenbaum lagen.“
Später baute man für den Lkw S 4000 und Armeefahrzeuge Aufbauten oder reparierte sie. Auch Holztreppen für Einfamilien-Häuser gehörten zum Produktionsprofil und ganz groß stieg man Mitte der 1980er Jahre in die Konsumgüterherstellung ein. Regale mit gewundenen Ecksäulen, Stehlampen und sogar Tische wurden angefertigt und fanden reißenden Absatz. Zwei Jahre seien damals ins Land gegangen, weil man extra Maschinen und Werkzeuge bauen ließ. Und alles entstand letztlich aus Holz, das anders nicht mehr verwendet werden konnte. In Wendezeiten erwarb man sogar ein Haus an der Weißenfelser Promenade, um dort die Produktionspalette in einem Schaufenster zeigen zu können. Die Nachfrage sank dennoch.
Aber wie in den Jahrzehnten zuvor fanden die umtriebigen Handwerker neue Betätigungsfelder oder bauten sie aus. Mit der beginnenden Dorferneuerung waren Türen und Tore gefragt. Mit dem einsetzenden Bauboom folgten Dachstühle und auch Treppen fanden immer mehr Abnehmer. Eine wurde sogar ins Pegauer Napoleonhaus eingebaut. In der Dorfkirche in Reipisch galt es, einen Dachstuhl der Wölbung der Wände anzupassen und eine Tonnendecke wurde ebenfalls eingezogen. Ein sogenanntes Strohballenhaus entstand in Wünsch und am Geiseltalsee wurde erst kürzlich der Dachstuhl für eine Begegnungsstätte am Jakobsweg errichtet.
Während Günter Sturm seinen Sohn noch immer unterstützt, hat er im Nebenerwerb eine Vasenproduktion begonnen. Durchbrochene Holzvasen, für die wiederum extra Werkzeuge angefertigt wurden, nehmen die Glaseinsätze auf. Und sogar alte Wagenräder kann der Senior noch herstellen. Raik Sturm hingegen ist oft mit auf den Baustellen und sitzt abends oder an den Wochenenden im Büro, um Angebote zu schreiben. „Ohne Liebe zum Beruf geht das nicht“, sagt er.