Stilecht mit Kutsche und Perücke Johann Sebastian Bach ersteht in Weißenfels wieder auf

Weißenfels - Direkt neben dem Eingang der Schlosskirche St. Trinitatis steht es in Stein gemeißelt. Hier war Johann Sebastian Bach „eine Zeit lang Berater der Weißenfelser Hofkapelle“. Grund genug, Weißenfels als Bachstadt bezeichnen zu dürfen?
An diesem Dienstagnachmittag zumindest kommt der weltberühmte Komponist mit der Kutsche in den Innenhof des Schlosses Neu-Augustusburg gefahren, um seiner alten Wirkungsstätte einen Besuch abzustatten. Mit im Gepäck hat er den Leipziger Kammersänger Martin Petzold. Beide trotzen dem eisigen Wind. Kalt muss es auch in der Kutsche von Johann Sebastian Bach gewesen sein, als der im Dezember im Jahr 1717 von Weimar nach Köthen fuhr, um dort seine Stelle als Hofkapellmeister unter Fürst Leopold zu Anhalt-Köthen anzutreten.
Petzold ist sich aber sicher: „Das Wetter würde für mich keine Rolle spielen, wenn ich mit Bach nur ein paar Sekunden verbringen könnte.“ Und auch der nicht ganz echte Bach, der neben ihm sitzt und mit bürgerlichem Namen Christian Ratzel heißt, würde für ein bisschen Zeit mit dem großen Komponisten die Strapazen einer Kutschfahrt im 18. Jahrhundert auf sich nehmen.
Reise in die Vergangenheit: Johann Sebastian Bach fährt stilecht durch Weißenfels, Köthen, Merseburg und Halle
Aber warum hat sich Ratzel, der für die Köthen Kultur und Marketing GmbH arbeitet, überhaupt ins barocke Gewand geworfen? „In diesem Jahr jährt sich die Ankunft von Bach in Köthen zum 300. Mal.“ Und deshalb habe man sich dazu entschieden, die Reise nachzuspielen. Historisch genau? „Nein,“ sagt Ratzel.
Man könne heute gar nicht sagen, wann Bach beispielsweise in Weimar gestartet ist und welche Route er genommen hat. Deshalb habe man sich bei dieser Winterreise für Orte entschieden, an denen Bach gewirkt hat. Neben Weißenfels hält das Team aus Köthen in Eckartsberga, Merseburg und Halle. Am Samstag findet dann das Spektakel in Köthen seinen Höhepunkt.
So macht Weißenfels mit dem berühmten Komponisten Werbung
Da Ratzel nach eigenen Aussagen überhaupt kein musikalisches Talent besitze, trifft er in den unterschiedlichen Städten auf Künstler und Musikwissenschaftler, in deren Leben Bach eine wichtige Rolle spielt. Für Petzold, den Gast in Weißenfels, bedeute die Musik des Meisters zum Beispiel Hoffnung und Trost. Auch Weißenfels verbindet er mit Bach: Hier habe er bereits Ende der 1980er Jahre bei einem Auftritt des Bachorchesters Leipzig als Evangelist im Weihnachtsoratorium mitgesungen.
Die Stadt Weißenfels sei stolz darauf, Schaffensstätte von Bach gewesen zu sein, so Katharina Vokoun, Pressesprecherin der Stadt. Wie wird hier Bach für touristische Zwecke genutzt? Vokoun schreibt: Beispielsweise mit einem Jubiläumskonzert zur Jagdkantate im Jahr 2013 oder der Vortragsreihe „Ohrenschmaus im Schütz-Haus“, bei dem auch schon Bachthemen angeschnitten worden seien. Und es gebe nicht nur die Gedenktafel an der Schlosskirche, sondern auch eine am Restaurant Jägerhof. Dort habe Bach zum 30. Geburtstag des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels die Jagdkantate uraufgeführt.
Johann Sebastian Bach auf Reisen: Trotz Eisekälte nur im Sommergewand unterwegs
Einen eigenen Bach-Darsteller wie Köthen hat Weißenfels nicht. Ratzel schlüpft in die Rolle des weltberühmten Musikers schon seit 15 Jahren, wie er sagt. Für die Reise im Jubiläumsjahr habe er sich ein neues, passendes Outfit im Kostümfundus der Filmstudios in Babelsberg besorgt. Das sei allerdings nicht wintertauglich, sondern eher ein Sommergewand. „Aber damals haben sie im Winter wohl alles angezogen, was greifbar war.“ Einen Kutschermantel habe er zwar auch dabei, der wirke aber einfach nicht so festlich. (mz)