DDR vertuschte Impf-Skandal Impf-Skandal in der DDR: Weißenfelserin wurde Hepatitis C gespritzt - und kämpft für Gerechtigkeit

Weißenfels - Die Spritze, unter der Monika Winter bis heute leidet, hat sie im Weißenfelser Krankenhaus bekommen. Auf der Entbindungsstation. Es war im Januar 1979, kurz nach der Geburt ihres Sohnes. Die junge Mutter hat Rhesusfaktor negativ. Die Spritze sollte Abstoßungsreaktionen gegen Neugeborene mit einer anderen Blutgruppe verhindern.
Doch die sogenannte Anti-D-Immunprophylaxe erweist sich für die Weißenfelserin und mehr als 4.000 anderer Frauen nicht als Segen, sondern Fluch. Denn eine Charge des Präparats ist 1978 mit Hepatitis-C-Viren verseucht gewesen, die chronische Entzündungen auslösen. Mit den Folgen der Infektion kämpft nicht nur Monika Winter bis heute. „Die Beschwerden sind nicht unerheblich“, sagt sie.
Im Krankenhaus infiziert: Weißenfelserin muss immer wieder nachweisen, dass sie beeinträchtigt ist
Ob Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwächen, Krämpfe oder Müdigkeit - die Liste mit Leiden der Betroffenen ist lang. Trotzdem wähnen sie sich bis heute vom Staat nicht ausreichend unterstützt. Zwar gibt es seit dem Jahr 2000 nach einem langen Kampf der betroffenen ein sogenanntes Anti-D-Hilfegesetz, das ihnen die Möglichkeit einräumt, Einmalzahlungen und Renten zu beantragen.
Doch wird der Fall offiziell nur als Impfschaden behandelt, weswegen Frauen wie Monika Winter gegenüber den Versorgungsämtern selbst immer wieder nachweisen müssen, dass sie beeinträchtigt sind.
Kritiker glauben, dass versuchtes Mittel wissentlich gespritzt wurde
Anders wäre die Situation im Falle einer Arzneimittelstraftat. Und um genau die handelt es sich aus Sicht der Geschädigten und einzelner Experten auch. Denn die verseuchte Charge sei damals wider besseren Wissens eingesetzt worden, so die Kritiker. „Das Material wurde wissentlich gespritzt. Für mich ist das eine Straftat“, sagt Monika Winter.
Gemeinsam mit anderen Mitgliedern eines Anti-D-Hilfevereins will sie sich für eine bessere Entschädigung der Opfer einsetzen. Deshalb geht sie in die Öffentlichkeit, um in Kontakt mit anderen Frauen in Weißenfels und Sachsen-Anhalt zu treten, die ihr Schicksal teilen.
Monika Winter sucht nach Frauen, denen es wie ihr erging
„Wir suchen nach Leuten, die das Unrecht mit aufarbeiten wollen“, sagt Monika Winter. Als sie im Februar 1979 wegen der Hepatitis-C-Infektion in der Weißenfelser Infektionsabteilung in der Kleinen Deichstraße behandelt wurde, habe sie dort oft die gleichen Frauen gesehen.
Sie würde diese gerne wiedersehen und sich mit ihnen austauschen. Damals hätten sie und andere gar nicht erfahren, was ihnen für Unrecht widerfahren ist. „Der Großteil hat gar nicht gewusst, warum er die Spritze erhalten hat“, sagt sie.
Verseuchte Spritzen: Verantwortlicher ist kein unbeschriebenes Blatt
Pikanterweise wurde der Verantwortliche, der die verseuchte Charge der Anti-D-Immunprophylaxe in Umlauf brachte, noch 1979 in einem Geheimprozess in der DDR wegen einer Arzneimittelstraftat zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Auch darum hoffen die Frauen heute auf eine bessere Entschädigung. Eine Novellierung des Gesetzes sei dringend notwendig, argumentiert nicht nur Monika Winter. „Uns fehlen nach 40 Jahren auch viele Rentenpunkte, da wir oft krank waren“, sagt sie. Auch gebe das Gesetz zeitliche Fristen vor, welche sie ablehnt.
„Wir sind über die ganze Republik verstreut“, sagt die Weißenfelserin
Tatsächlich wird aus Sicht des Anti-D-Hilfevereins bis heute nur ein kleiner Teil der betroffenen Frauen mit einer Rente unterstützt. Den Opfern läuft die Zeit davon. Monika Winter kannte zwei Betroffene aus dem Raum Weißenfels, die schon verstorben sind. Wenn sich nicht bald etwas tut, so ihre Sorge, dann werden viele Geschädigte keine Gerechtigkeit mehr erfahren.
Ihr selbst ist erst nach der Wende bewusstgeworden, welches Ausmaß der Medizinskandal des in Halle hergestellten Präparats eigentlich hatte. „Wir sind über die ganze Republik verstreut“, sagt Monika Winter. Ihre Entschädigung, die sie eine Zeit lang erhalten hat, sei gegenwärtig auf Null gesetzt. Aber sie will weiter dafür kämpfen, dass sie nicht Opfer eines Impfschadens, sondern einer Straftat ist. Und das mit so vielen Mitstreiterinnen wie nur möglich.
››Weitere Informationen: www.anti-d-hcv-geschaedigte.de (mz)