Hundertjährige aus Borau Hundertjährige aus Borau: Warum Lisbeth Benndorf nicht vom Leben verwöhnt wurde

Borau - „Ein bisschen mehr Gesundheit würde ich mir wünschen“, sagt Lisbeth Benndorf. Gebürtig in Frankenau bei Ronneburg feierte sie am Wochenende in Borau ihren 100. Geburtstag. Bis vor fünf Jahren hat sie den Haushalt noch selbst besorgt, dann zog sie sich bei einem Sturz eine Oberschenkelhalsfraktur zu.
Die Ärzte konnten da ebenso helfen wie mit einer Augenoperation. Nun kann sie sogar wieder die Zeitung lesen und konnte auch wieder mit dem Rollator gehen, bis sie vor einigen Wochen zweimal stürzte. Seitdem braucht sie viel Pflege, kommen regelmäßig ihre Töchter für mehrere Tage und Enkel Tom kümmert sich auch in der Nacht um sie.
„Ich hätte nie gedacht, mal so alt zu werden“, bekennt Lisbeth Benndorf, denn sie hatte kein leichtes Leben. Das fing an, als sie nach der Schule als Haushaltshilfe auf einem Gut in Schwanditz bei Altenburg zu arbeiten begann. Mehr als zwölf Stunden täglich. Das Ausleeren der großen Milchkannen in die Kühlung war Knochenarbeit. Und wenn manchmal die Milch überlief, schimpfte sie die Baronin wegen ihrer Nachlässigkeit von ihrem Fenster aus.
Acht Geschwister
Gern hätte sie einen Beruf erlernt, doch dafür musste bezahlt werden, reichte das Geld bei weiteren acht Geschwistern nicht. Auf dem Gut lernte sie aber ihren späteren Mann kennen, der im Zuge seines Landwirtschaftsstudiums ein Praktikum absolvierte. Während er mit Baron und Baronin speiste, musste Lisbeth Benndorf servieren. Das erste Kind war dann ein uneheliches, was für die Frauen damals eine schlimme Zeit mit sich brachte.
Margot war die erste, dann folgte Georg und bevor Vater Franz 1940 eingezogen wurde, erblickte Edeltraut das Licht der Welt. Der Mann kehrte nicht aus dem Krieg zurück und ist bis heute vermisst. Edeltraut Merker nimmt an, dass er im Sommer 1944, als der Krieg faktisch schon verloren war, beim Zurückführen von Pferden von der Front in die Hände von Partisanen gefallen ist.
Gern würde sie der Mutter die Freude machen und ihr mitteilen, wo sich das Grab befindet. Aber auch der Kontakt über die Kriegsgräberfürsorge bis nach Moskau war bislang nicht von Erfolg gekrönt.
Krieg hinterlässt Spuren
Der Krieg hat aber darüber hinaus weitere Spuren hinterlassen. Zwei Brüder der Jubilarin sind gefallen und eine Schwester von ihr starb mit sechs Kindern im Luftschutzkeller in einem kleinen Dorf bei Schmölln. Sie wurden förmlich zerrissen und kamen alle in ein Grab, während Großvater im Nachbarhaus unversehrt blieb.
Lisbeth Benndorf blieb in Borau, wo der Schwiegervater eine Schneiderwerkstatt betrieb. Sie sagt aber: „Es war schwer, die Kinder allein durchzubringen.“ Sie arbeitete auf einem Bauernhof. Wenn die hungrigen Kinder auf sie warteten und sie mit einem Kochgeschirr heimkam, dann aß sie als letzte den Rest. Dann wechselte sie in die Weißenfelser Mühlenwerke und musste anderthalb Zentner schwere Säcke schleppen.
Nie Ferien gemacht
„Diese Arbeit hat mich kaputt gemacht.“ Die letzten zehn Jahre bis zur Rente machte sie dann beim damaligen Kreisbaubetrieb sauber. Bis auf einen Urlaub in Thüringen hat Lisbeth Benndorf nie Ferien gemacht und doch noch an andere gedacht. Denn einer krebskranken Nachbarin hatte sie versprochen, sich um ihre Kinder zu kümmern, wenn ihr etwas passiert. Als diese dann starb, versorgte sie die Familie zunächst mit.
Über ihr Alter selbst hat sie sich nie Gedanken gemacht. Aber es muss wohl an den Genen liegen. Denn zwei Schwestern sind Mitte 90 geworden und ihre jüngste Schwester (93) lebt in einem Seniorenheim in Rositz bei Altenburg. Sie konnte zum 100. Geburtstag zwar nicht kommen, doch ansonsten waren fast alle da, gibt es drei Kinder, fünf Enkel, neun Urenkel und einige Ur-Ur-Enkel. Und irgendwann könnte mit einem Ur-Ur-Ur-Enkelchen die sechste Generation heranwachsen. (mz)