1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Haus für Stadtgeschichte in Hohenmölsen: Haus für Stadtgeschichte in Hohenmölsen: Hingerissen von einer Tasche

Haus für Stadtgeschichte in Hohenmölsen Haus für Stadtgeschichte in Hohenmölsen: Hingerissen von einer Tasche

Von Petra Wozny 01.06.2013, 19:38
Sophie Kirchberger staunt wie sicher die ganze Damenwelt. Diese Tasche ist älter als 2 000 Jahre und kunstvoll mit Hundezähnen bestickt.
Sophie Kirchberger staunt wie sicher die ganze Damenwelt. Diese Tasche ist älter als 2 000 Jahre und kunstvoll mit Hundezähnen bestickt. Lisker Lizenz

Hohenmölsen/MZ - Da liegt sie: 30 mal 30 Zentimeter groß, mit einem Überwurf und Schulterriemen. Bestickt mit Hunderten von Hundeeckzähnen - eine Handtasche. Nein, dem neuesten Trend entspricht sie nicht. Sie stammt auch nicht aus einem Versand, bei dem man aufkreischt, wenn man die Ware erhält. Sie ist dennoch traumhaft schön, auch wenn sie steinalt ist. Das Accessoire der Damenwelt wurde im Bergbaurevier Profen geborgen. Ja, man stöhnt leise und das Herz hüpft vor Freude.

Die Tasche ist einmalig in Deutschland und darum auch so wertvoll für die Ausstellung im Haus für Stadtgeschichte in Hohenmölsen. Dort wird seit dieser Woche die Exposition „Archäologie im Revier“ gezeigt. Genuss pur und ein Muss für jeden Einheimischen. Neben jener sensationellen Tasche, die deutschlandweit zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wird, gibt es rund 60 Fundkomplexe zu bestaunen. Darunter sind Perlen, Gefäße, Fibeln, aber auch Fotografien, die die Ausgrabungen im Tagebau Profen dokumentieren, Zeichnungen zu unterschiedlichen Bestattungen, Röntgenaufnahmen und fachliche Erläuterungen.

Entstanden ist die Schau in gemeinsamer Arbeit zwischen der Mibrag und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Rund zehn Jahre ist daran gearbeitet worden. „Unser Ziel ist es, die Bevölkerung teilhaben zu lassen, an ihrer Geschichte“, begründete Angelika Diesener, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der Mibrag, das Engagement des Unternehmens an der einmaligen Ausstellung. „Die Region hat ihren Bergbau und sie hat etwas zu bieten, was das Landesmuseum von Halle nicht hat“, fügt sie an und offeriert die Ausstellung gleichsam als Geschenk für die Region.

Bürgermeister Andy Haugk (Aktives Hohenmölsener Land) spannt den Bogen noch weiter: „Wir haben mit der Darstellung der Funde aus dem Revier zwei Dinge zusammengebracht: Die Schlacht bei Hohenmölsen und die Entwicklung der Region als Bergbaustadt. Die Funde geben einen tiefen Einblick in unsere Herkunft und öffnen ein Fenster in die Zukunft.“ Bodenschätze wie die Kohle zu fördern, berge gleichzeitig die große Chance, Kulturschätze zu heben.

Dem kann Hilmar Herbst, Hobbyhistoriker aus Granschütz nur zustimmen. Etwa in zwei Jahren wird der Tagebau Domsen so weit vorgerückt sein, dass das Feld der Schlacht von Hohenmölsen untersucht werden wird. „Ich bin mir sicher, wir finden den Beleg, vielleicht sogar das Schwert des Königs Rudolf, der dort seine Hand verlor“, ist sich der Mann ganz sicher.

Die jetzt ausgestellten Funde scheinen ihm Recht zu geben. Siedlungsspuren und mehr als 300 Bestattungen der ausgehenden Jungsteinzeit auf einer Fläche von rund 100 Hektar wurden aufgedeckt und belegen die Besiedlungsdichte und Prosperität vor mehr als 4 000 Jahren. Die Bestattungen können der schnurkeramischen- als auch der Glockenbecherkultur zugeordnet werden.

Bereits 2006 wurde im Tagebau Profen ein mehrere Hektar großes Gräberfeld aus der frühen Römischen Kaiserzeit ausgegraben. 560 Urnen waren damals im Block gehoben und unter Laborbedingungen untersucht worden. Besonders interessant war nicht nur der sensationelle Goldfund aus einer Metallurne - er wird gegenwärtig im Zusammenhang mit der Pompeji-Ausstellung in Madrid gezeigt. Es waren kleine Bärenkrallen. Sie lassen darauf schließen, dass die verstorbene Germanin auf einem Bärenfell verbrannt worden war. „Es wird für manchen schwer sein, diese Ausstellung zu sehen“, relativiert Dirk Könnecke (parteilos), Bürgermeister von Lützen, die vorherrschende Euphorie. „Die sich für Geschichte interessieren, werden begeistert sein. Jene, deren Häuser der Kohle weichen müssen, sind die Funde, wie die Handtasche, schnurzegal.“

„Diese Ausstellung ist der i-Punkt. Ich hoffe, dass sie mehr als ein Anfang unserer geschichtlichen Aufarbeitung ist“, meint Ortsbürgermeisterin Renate Pötzsch (parteilos) von Taucha. „Spitzenmäßig“, formuliert Michael Seppelt, Ortsbürgermeister von Werschen (AHL) seinen Eindruck. „Wir schlagen es nicht aus, dass diese Ausstellung auch nach Teuchern kommt“, sagt Bianca Zausch, Hauptamtsleiterin der Teucherner Verwaltung.

Amphoren, Klingen und eine Steinaxt.
Amphoren, Klingen und eine Steinaxt.
lisker Lizenz
Knöpfe und Nägel.
Knöpfe und Nägel.
lisker Lizenz