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Wiedersehen mit „Bonnie“ Hat Weißenfelser sein Opfer mit sieben Messerstichen lebensbedrohlich verletzt?

Ein 35-Jähriger soll einen Mann mit mehreren Messerstichen fast getötet haben. Warum sich seine Strafe aber mindern könnte.

Von Tobias Schlegel 15.06.2021, 14:00
Ein Mann in Handschellen - Symbolbild
Ein Mann in Handschellen - Symbolbild (Foto: imago/McPHOTO)

Halle (Saale)/Weissenfels - Ihre Maske darf sie am Zeugentisch abnehmen, auch von ihren Handschellen wird die 24-jährige Weißenfelserin an diesem Morgen im Saal 141 des Landgerichts in Halle befreit. Links von ihr sitzt ihr Ex-Freund, der sich derzeit vor dem Schwurgericht wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung verantworten muss. Der 35-Jährige soll im März vergangenen Jahres vor einem Wohnhaus in Weißenfels einen 31-jährigen Mann mit mindestens sieben Messerstichen lebensbedrohlich verletzt haben. Nur eine sofortige Not-Operation konnte das Leben des 31-Jährigen retten.

Urteil vor Dreivierteljahr

An diesem zweiten Verhandlungstag soll die damalige Freundin des Angeklagten aussagen, die unweit des Tatorts gewohnt hat. Wie ihr Ex sitzt auch sie gerade eine Freiheitsstrafe ab. Das Landgericht Halle verurteilte die beiden im Herbst vergangenen Jahres wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. In Manier des bekannten US-amerikanischen Verbrecherduos „Bonnie und Clyde“ überfiel das Paar im März 2020 einen Bekannten in dessen Wohnung in einem Ortsteil von Weißenfels, um ihn zu bedrohen, zu schlagen und zu berauben.

Die 24-Jährige bekam damals fünf Jahre und vier Monate, der 35-Jährige fünf Jahre und vier Monate. Bei beiden wurde aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, weshalb sich die 24-Jährige derzeit in Bernburg im Maßregelvollzug befindet, während ihr Ex in Burg in Haft sitzt.

Der Überfall damals geschah nur wenige Tage nachdem der 35-Jährige den Syrer mit einem Taschenmesser fast getötet haben soll. Der Angeklagte äußert sich an diesem zweiten Verhandlungstag das erste mal. Er sei am Tag der Tat vollkommen betrunken gewesen, habe mehrere kleine Flaschen Schnaps und fünf bis sechs Bier getrunken. Zuvor habe er noch Crystal konsumiert. Er wollte zu seiner damaligen Freundin, um Sachen abzuholen. „Ich hatte mich die Woche vorher von ihr getrennt“, sagt der Angeklagte. Die 24-Jährige sei aber nicht zu Hause gewesen, das habe ihn verärgert. Mehr möchte der 35-Jährige nicht sagen. Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft und das Aufeinandertreffen mit dem Opfer schweigt weiter.

DNA-Spuren entdeckt

Seine damalige Freundin kann zur Sache selbst nicht viel sagen. Sie sei nicht zu Hause gewesen, als der Angeklagte auf den Geschädigten getroffen sein soll. „Ich habe keine Ahnung, ob da was war“, sagt sie mit leiser Stimme. Der Angeklagte soll ihr zuvor aber mehrere Textnachrichten auf ihr Handy geschickt haben, in der er sie bedrohte. Diese übergab die 24-Jährige kurz darauf auch der Polizei. Davon weiß sie heute aber nichts mehr. „Ich stand damals extrem unter Drogen und weiß nichts mehr“, sagt sie und gibt lediglich noch an, sich zu der Zeit oft mit dem 35-Jährigen gestritten zu haben - vor allem, wenn keine Drogen da waren.

Indes wird die Beweislast immer erdrückender für den Angeklagten: An der Tatwaffe wurden neben DNA des aus Syrien stammenden Opfers auch Spuren von ihm entdeckt. Zudem wurde der 35-Jährige kurz nach der Tat in der Nähe des Tatorts in der Wohnung seiner Ex-Freundin angetroffen, wo nicht nur die Tatwaffe, sondern auch Blutspuren an Lichtschalter und Wohnungstür sichergestellt wurden, wie ein als Zeuge geladener Polizist dem Gericht sagt. Zum Prozessauftakt hatten zudem Zeugen ausgesagt, wie sie den Angeklagten über dem schwer verletzten Syrer beugend gesehen und dass beide Männer vorher Streit hatten.

Für ein fremdenfeindliches Motiv liegen derweil keine Hinweise vor

Für ein fremdenfeindliches Motiv liegen derweil keine Hinweise vor. Vielmehr dürften die Mengen an Alkohol und Drogen sowie der Ärger über das Nichtantreffen der Ex-Freundin der Grund gewesen sein, warum der Angeklagte so durchdrehte. Laut eines Gutachtens könnte der Angeklagte zur Tatzeit einen Alkoholwert von bis zu 2,4 Promille gehabt haben. Zudem wurden geringe Spuren von Drogen im Körper des Mannes nachgewiesen.

Ein Sachverständiger erklärt zudem, dass bei dem 35-Jährigen zwar keine seelische Störung vorliegt, seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit aber gemindert war. Erst nach den Messerstichen habe der Angeklagte wohl realisiert, was er getan habe. So ist es auch zu erklären, dass er danach laut Hilfe gerufen haben soll. Der Kuss, den der Syrer von dem Angeklagten bekommen haben will, sei wohl eher eine Wiederbelebungsmaßnahme gewesen.

Und so könnte es passieren, dass das Gericht bei der Urteilsfindung eine verminderte Schuldfähigkeit in Betracht zieht, wie der Vorsitzende Richter Jan Stengel sagt. Zudem teilt er mit, dass aus dem Urteil von dem Überfall im Herbst 2020 und diesem eine Gesamtstrafe gebildet werde. (mz)

Der Prozess wird am 15. Juni fortgesetzt.