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Handarbeit in Weißenfels Handarbeit in Weißenfels: Die glorreichen Zehn

Von Carmen Busch 19.08.2015, 15:22
Eine lange Zeit der Handarbeit ist für die zehn Frauen vorbei: Edeltraud Matte (M.) gebührt die Ehre des letzten Stiches. Aber es geht weiter.
Eine lange Zeit der Handarbeit ist für die zehn Frauen vorbei: Edeltraud Matte (M.) gebührt die Ehre des letzten Stiches. Aber es geht weiter. Peter Lisker Lizenz

Weissenfels - Was bei Sonnenschein begonnen hat, beendet ein verregneter Sommertag. Vermutlich drückt der Himmel aus, was die zehn handarbeitsbegeisterten Frauen gedacht haben - schade, dass eine schöne und intensive Zeit zu Ende geht.

Am vergangenen Dienstag gegen 9.25 Uhr hat Edeltraud Matte den letzten Stich gemacht und somit das zweite große Stickbild vollendet. „Eine ganz wunderbare Zeit liegt hinter uns“, erzählt seufzend und lächelnd zugleich Brigitte Jülich. Die 80-Jährige hat beim Sticken aber mehr als nur einen Zeitvertreib gefunden. „Es sind gute Freundschaften entstanden und wir treffen uns jetzt nicht mehr nur zum Sticken“, stimmt Bernadette von Grzymala Jülich zu. Bei so viel neu entstandener Zuneigung wissen die Zehn aber ganz genau, was beziehungsweise wer sie zusammengeführt hat. „Anne Ulrich hatte damals einen Aufruf in der Tageszeitung vermelden lassen, dass sie Mitstreiterinnen für ein Handarbeitsprojekt in unserem Kloster sucht und da hab’ ich mich einfach mal gemeldet“, berichtet Edelgard Amthor.

Anne Ulrich und ihre Stickgruppe planen bereits ihr drittes Werk. Verbunden mit dem neuen Nutzungskonzept für den Klosterbau wollen sie sich nun der Musik der Stadt Weißenfels widmen. Auf dem aktuellen Bild finden sich bereits Notenlinien wieder. Neben dem Schwesternbuch der hiesigen Klarissen sieht man auch das Abzeichen der Polizei, die 1951 in die Klostergebäude einzog und diese erst 1998 verließ.

Seit 2012 haben sie zusammen an zwei Wandbildern gearbeitet. Das erste ist bereits 2013 dem Klosterverein übergeben worden. Das neu angefertigte Bild wird die Frauengruppe am Tag des offenen Denkmals im September gemeinsam mit einem Scheck in Höhe von 500 Euro dem Vorstand übergeben. Das Geld haben sie auf Handarbeitsbasaren gesammelt. „Wir nehmen somit auch an der Aktion ’500x500’ teil und leisten so unseren Beitrag für die Zukunft unseres schönen Klosters“, sagt Anne Ulrich zuversichtlich lächelnd. Die Gründe für ihre Motivation, am Projekt mitzuwirken, sind denkbar einfach: Gemeinschaftlichkeit und Freude daran, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. So pflegen die Frauen der Gegenwart auch ein wenig das Leben ihrer klösterlichen Vorgängerinnen im Sinne von Klara von Assisi - Gemeinschaft und Demokratie. „Keine von uns hat speziell nur an einer Stelle gearbeitet, sondern wir haben dort weitergemacht, wo es nötig war“, beschreibt die Seniorin die Handarbeit ihrer „glorreichen Zehn“.

Fürs zweite Bild haben die fleißigen Stickerinnen rund 1 300 Stunden gebraucht. Die Entwürfe für die Stickarbeiten hat beide Male Anne Ulrich angefertigt. Dabei lässt sie sich viel von der Geschichte des Hauses und der Stadt inspirieren. „Auf dem jetzigen Bild sind die sieben wichtigsten Personen für die Geschichte des Claren-Kloster zu sehen“, erklärt Ulrich. Neben den beiden Äbtissinnen Sophie von Landsberg und Margarete von Watzdorff hat Ulrich auch Herzog August von Sachsen-Weißenfels als Gründer des „Gymnasium illustre Augusteum“ und den dortigen Gelehrten Christian Weise verewigt. Um auch die neuere Geschichte auf dem Bild zu zeigen, hat sich die Weißenfelserin entschieden, auch Seminarlehrer Ernst Hentschel, Widerstandskämpfer Arvid Harnack und Taubstummenlehrer Moritz Hill von den Damen sticken zu lassen. „Die Brille und die Augen von Harnack waren am schlimmsten“, erinnert sich Bernadette von Grzymala lachend. Mehrmals haben sie die Augen wieder aufgetrennt und neu gestickt. „Das war wirklich das Schwierigste“, fügt Amthor hinzu.

In einem sind sich die Frauen aber sicher, sie werden der Nachwelt noch einiges Metallenes hinterlassen - ihre Dutzenden Sticknadeln, die ihnen zu Boden gefallen sind und die im Gras des Klosterhofes nicht mehr aufzufinden waren. „Die Archäologen werden sich noch wundern, was wir hier gemacht haben unter freiem Himmel“, scherzen die Damen und stoßen erfreut auf ihre gesticktes Werk „700 Jahre Kloster St. Claren“ mit Sekt an. (mz)