1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Gegen Einsamkeit: Gegen Einsamkeit: Junge Briefeschreiber überraschen Senioren in Wohnheimen

Gegen Einsamkeit Gegen Einsamkeit: Junge Briefeschreiber überraschen Senioren in Wohnheimen

Von Holger Zimmer 22.06.2020, 12:00
Lehrerin Paula Berger mit den Fünftklässlern Jonah und Zoe, die per Post eine Rückantwort von Senioren erhalten haben.
Lehrerin Paula Berger mit den Fünftklässlern Jonah und Zoe, die per Post eine Rückantwort von Senioren erhalten haben. Holger Zimmer

Lützen - Das war für betagte Menschen in Seniorenheimen und zehn- bis 13-jährige Schüler gleichermaßen aufregend. Die Älteren erhielten mitten in der Corona-Krise Briefe von fremden Kindern und Jugendlichen der Lützener Gesamtschule „Gustav Adolf“. Und das in einer Zeit, in der Besuche für die ältere Risikogruppe teilweise völlig tabu waren. Auf die Idee war die Deutsch- und Spanisch-Lehrerin Paula Berger im Internet bei Instagram aufmerksam geworden. Sie fand: „Es ist doch eine schöne Sache, um anderen eine Freude zu machen.“

Fünftklässlerin wird zur Briefeschreiberin und erzählt über ihr Leben

Die 26-jährige Pädagogin denkt, dass von den 85 Schülern am Ende 70 auch einen Brief abgeschickt haben. Vielfach gab es eine Rückantwort und sogar eine Einladung zum Grillen. Inzwischen hat sich manches verändert. Die Schüler gehen wieder alle zwei Wochen im Wechsel zum Unterricht, während zuvor zu erledigende Hausaufgaben nur per Internet verteilt worden waren. Zoe gehörte zu den Briefeschreibern und die Fünftklässlerin fand die Kontaktaufnahme spannend.

Die Elfjährige schrieb von sich, dass sie Haustiere habe und einmal Modedesignerin werden wolle. Besonders schwierig sei es in der Corona-Krise gewesen, dass Kontakte vermieden werden sollten und die Uroma im Seniorenheim nicht besucht werden durfte. Auch jetzt sei es für sie noch schockierend, die Freundinnen nicht umarmen zu dürfen. Zufällig erreichte ihr Brief jemanden, der in derselben Straße in Lützen lebte, wie ihre Uroma. Jonah ist zwölf Jahre alt, geht ebenfalls in die fünfte Klasse und kümmert sich auch um Haustiere.

Bewohner des Seniorenheims in Weißenfels freuten sich über Post

Neben einem Brief packte er für den unbekannten Adressaten ein Glas Apfelmus ein. Das sollte im Hauswirtschaftsunterricht hergestellt werden, was aber wegen Corona daheim erledigt werden musste. Seine Post ging in ein Seniorenheim in Weißenfels, wo die Freude groß gewesen ist, wie er erzählt. Lehrerin Berger verweist an dieser Stelle darauf, dass man sich vier Heime ausgesucht hatte. Neben den „Drei Villen“ in Lützen waren es zwei in Weißenfels und eins in Markranstädt.

Jonah empfand die Situation wegen Corona ebenfalls als besonders hart. Oma und Opa durften keinem zusätzlichen Risiko ausgesetzt werden, Spielplätze seien tabu gewesen, aufs Einkaufen habe er verzichtet und öfter sei man im Wald spazieren gegangen. Es war keine einfache Zeit. Dass in den vergangenen Pfingstferien an die Ostsee gefahren wurde und man etwas anderes sehen konnte, war für die Fünftklässler wichtig.

Nach Briefe schreiben soll es nun eine Besuch bei den Senioren geben

Auch sogenannte Hühnergötter, Steine mit einem Loch, habe man gesucht. Zoe hat welche gefunden und in die „Drei Villen“ geschickt. Als Dankeschön erhielt sie Blumensamen. Die Vergissmeinnicht sind bereits ausgesät, aber bis die Blüten zu sehen sein werden, dürfte noch eine Weile vergehen. Und auch Jonah ist für sein Apfelmus mit einem schönen Aquarellbild belohnt worden, auf dem ein Strauß Blumen zu sehen ist.

Fakt ist, dass wohl auch künftig von Hand geschriebene Briefe oder E-Mails zwischen jungen Menschen, die ihren Platz im Leben suchen, und betagten Senioren um die 80 Jahre oder darüber hin- und hergehen. Und die beiden Schüler sind sich einig, dass es mal einen Besuch geben soll, wenn man das gefährliche Virus im Griff hat. Das ist mehr, als es die Lehrerin Paula Berger erwartet hatte, als sie den Mädchen und Jungen die Idee vermittelt hat. (mz)