Ganz großes Theater Ganz großes Theater: Textil-Kontor wird zur Bühne für spektakuläres Projekt

Weißenfels - Noch liegt das imposante Industriegebäude am Weißenfelser Bahnhof im Dornröschenschlaf. Das ändert sich jedoch in wenigen Wochen: Am 26. März beginnen in dem ehemaligen Textil-Kontor die Proben für ein in der Region einmaliges Theaterprojekt. „Intex“ heißt das Stück, das in Form eines Stationentheaters in den historischen Lagerhallen des Kontors aufgeführt werden soll.
Inszeniert wird es von Regisseur Jens-Erwin Siemssen. Der Leiter vom Ensemble „Das letzte Kleinod“ aus dem niedersächsischen Ort Geestenseth produziert seit 1991 Theaterstücke an außergewöhnlichen Originalschauplätzen.
Theatermacher: „Das markante Backsteingebäude mit den drei Giebeln hat mich sofort in seinen Bann gezogen“
Wie er darauf kam, das historische Gebäude in Weißenfels zur Bühne zu machen? „Das markante Backsteingebäude mit den drei Giebeln hat mich sofort in seinen Bann gezogen“, erzählt er. „ Es sprang mich förmlich an, als ich vor etwa einem Jahr im Zug nach Naumburg saß und am Weißenfelser Bahnhof Aufenthalt hatte.“ Hintergrund für die Reise war ein Treffen mit dem Naumburger Theater-Intendanten Stefan Neugebauer.
„Wir wollten mit Herrn Siemssen ein gemeinsames Theaterprojekt im Burgenlandkreis starten“, erzählt Neugebauer. „Unser Ensemble hatte gerade den Theaterpreis des Bundes gewonnen. Das Preisgeld von 115.000 Euro stand uns für außergewöhnliche Projekte zur Verfügung.“ Für die Umsetzung habe man Siemssen mit ins Boot holen wollen.
Ab 1950 diente das Gebäude der Schuhindustrie als Textillager
Der hatte bei seiner Ankunft in Naumburg bereits den Spielort für das gemeinsame Projekt im Kopf - das Weißenfelser Textilkontor. „Natürlich war mir der beklagenswerte Zustand des Gebäudes aufgefallen“, so Siemssen. „Aber ich habe hier sofort Geschichte gespürt.“ Was folgte, war eine intensive Vorarbeit. Zunächst musste der Besitzer ausfindig gemacht und der Zustand des Gebäudes geprüft werden. „Zum Glück stellte sich heraus, dass das Objekt nicht baufällig ist. Das Dach ist intakt und die Stahlbeton-Wände sind für schwere Lasten ausgelegt.“
Anschließend habe man Zeitzeugen ausfindig gemacht, die aus der bewegte n Geschichte des Hauses erzählen können. Eine von ihnen ist die über 90-jährige Elvira Hofmann, die heute am Bodensee lebt. Sie ist die Enkelin von Willi Otto, der das Kontor um 1900 gekauft und darin zunächst Getreidegeschäfte betrieben hatte. Später beherbergte der Bau einen Papiergroßhandel, eine Geschäftsbücher- und Schreibheftfabrik sowie eine Backofenproduktion. Ab 1950 diente das Gebäude der Schuhindustrie als Textillager. Nun steht es aber bereits seit vielen Jahren leer.
„Insgesamt konnten wir ein Dutzend Zeitzeugen ausfindig machen“
„Insgesamt konnten wir ein Dutzend Zeitzeugen ausfindig machen“, erzählt Siemssen. „Die Weißenfelser haben unglaublich offen auf uns reagiert. Es gibt ein großes Bedürfnis bei den Menschen hier, ihre Geschichte zu erzählen.“ Auf die Unterstützung der Weißenfelser hofft man auch bei der eigentlichen Umsetzung des Stückes. Denn zu den Darstellern aus dem Naumburger Theater und dem „Kleinod“-Ensemble setzt man auf freiwillige Mitwirkende: Statisten, Laiendarsteller, Tänzer, Einzel- und Chorsänger sowie Instrumentalisten werden gesucht. Dazu sind Techniker, Kostümhelfer, Fassadenkletterer, Pferdebegeisterte, Bodybuilder und Feuerwehrleute gefragt.
„Ein erstes Treffen findet am 9. März im Kulturhaus statt“, sagt Produktionsdramaturgin Ulrike Marski. In die heiße Endphase geht es dann ab 21. März. Dann rollt der blaue Theaterzug des „Kleinod“-Ensembles am Weißenfelser Bahnhof ein, der in neun Waggongs Equipment, Werkstätten, Büros und Unterkünfte beinhaltet. Siemssen: „Meine Hoffnung ist, dass unser Projekt eine nachhaltige Wirkung hat. Ich glaube, dass wir den Ort damit verändern können.“
››Informationen und Anmeldungen für freiwillige Helfer bei Ulrike Marski. E-Mail: [email protected], Telefon: 0170/9875903. (mz)