Warum scheitern so viele an der Theorie? Führerschein in Sachsen-Anhalt: Das sagt ein Fahrlehrer über die hohe Durchfallerquote

Weißenfels - Auch mit 64 Jahren denkt Wilfried Damerau noch nicht an die Rente. Der Weißenfelser Fahrlehrer mag seinen Beruf. Und besonders gerne vermittelt er Theorie. Die ist dabei alles andere als grau. Statt seinen Schülern nämlich Standard-Videos vorzuspielen, zeigt ihnen echte Straßenaufnahmen aus Weißenfels.
Mit moderner Technik hat der Fahrlehrer keinerlei Berührungsängste. Das Lernmaterial für die Fahrschüler, stellt Wilfried Damerau klar, ist so gut wie nie zuvor.
Doch warum fällt in Sachsen-Anhalt dann beinahe jeder zweite Fahrschüler durch die theoretische Prüfung? Laut Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg bleiben 44,8 Prozent hängen. Bundesweit sind es „nur“ 36,8 Prozent.
Weißenfelser Fahrlehrer: Viele nehmen Prüfung auf die leichte Schulter
„Das ist erschreckend“, kommentiert der Weißenfelser Fahrlehrer die Zahlen. Auch weil er sich sorgt, die Zahlen könnten als schlechtes Zeugnis für die hiesigen Fahrlehrer verstanden werden. „Das ist ja ein Spiegelbild unserer Arbeit“, sagt er ein wenig betrübt.
Doch die Schuld für das schlechte Abschneiden der Fahrschüler sieht der Fahrlehrer nicht wirklich bei seinen Kollegen und sich selbst. Darin bestätigen ihnen Kontrollen, die er regelmäßig durchführt. Dabei stellt er fest, dass viele die Führerscheinprüfung schlicht auf die leichte Schulter nehmen. „Man geht zu oberflächlich damit um“, sagt Wilfried Damerau. Die Konsequenz ist dann, dass jeder zweite im ersten Anlauf scheitert.
Bereiten sich Fahrschüler nicht ausreichend vor?
Die Fahrschullehrer für die schlechte Quote verantwortlich zu machen, das ist aus Sicht von Wilfried Damerau nicht schlüssig. Viele Fahrschüler müssten einfach mehr investieren, um die Prüfungen beim ersten Mal zu bestehen. „Die Zeit des Auswendiglernens ist vorbei“, sagt der Weißenfelser Fahrlehrer.
Tatsächlich stehen Hunderte Fragen zur Auswahl. Und es werden nicht weniger. „Updates des Prüfungskataloges erfolgen ungefähr halbjährlich“, erklärt Wolfgang Prescher vom Landesfahrlehrerverband.
Wie gut oder schlecht die Fahrschüler im Burgenlandkreis abschneiden, das lässt sich nicht ermitteln. Der deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungsverein (Dekra) hält sich bedeckt und verweist auf die Fahrlehrer, welche wiederum auf die Dekra verweisen.
Mehr Durchfaller wegen gestiegener Zahl nicht-deutschsprachiger Bewerber?
Umso schwieriger gestaltet sich die Ursachenforschung. Gerhard von Bressendorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, führt die Steigerung der vielen Durchfaller in erster Linie auf den höheren Anteil nichtdeutschsprachiger Bewerber zurück.
Dieses Problem kennt auch Wilfried Damerau in Weißenfels. Zwar könnten die Fahrschüler in Naumburg die theoretische Prüfung in verschiedenen Sprachen ablegen, darunter auch Hocharabisch. Doch vermittelt wird das Wissen dafür zuvor im Unterricht. Und da ist auch er in Weißenfels schon oft nicht verstanden worden.
Weißenfelser Fahrlehrer: „Man muss erstmal die Sprache lernen“
Und selbst nach bestandener Theorieprüfung ist es in Sachsen-Anhalt für viele Fahrschüler noch ein langer Weg bis zum Führerschein. Mit einer Durchfallerquote von 36,4 Prozent liegt das Land auch hier deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 28,1 Prozent.
In Weißenfels beobachtet Wilfried Damerau, dass sich gerade Fahrschüler aus afrikanischen und arabischen Ländern schwer damit tun, den Führerschein aus ihren Heimatländern anerkennen zu lassen.
Statt vorab in Fahrstunden zu investieren, tritt mancher lieber direkt zur Prüfung an. Und scheitert mehrfach. „Das motiviert überhaupt nicht“, sagt der Fahrlehrer. Weder den Fahrschüler noch den Lehrer. „Man muss erstmal die Sprache lernen“, wirbt Wilfried Damerau. Denn anders als in der theoretischen Prüfung gibt es die Anweisungen im Praxistest nur auf Deutsch. (mz)