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Ehrennadel für Marlis Becker Ehrennadel für Marlis Becker: Die gute Seele von Wengelsdorf

Von Andreas Richter 13.09.2019, 13:10
In Wengelsdorf ist es schön, findet Marlis Becker. Gern kümmert sie sich auch um die Blumen in ihrem Garten.
In Wengelsdorf ist es schön, findet Marlis Becker. Gern kümmert sie sich auch um die Blumen in ihrem Garten. Peter Lisker

Wengelsdorf - Als Marlis Becker erfuhr, dass sie beim Eröffnungskonzert des Schlossfestes die Ehrennadel der Stadt Weißenfels erhalten soll, da dachte sie zunächst nur eines: Warum? „Ich mach’ das doch gern - und nicht, um dafür geehrt zu werden“, sagt die 74-Jährige. Und dann gibt sie doch zu: „Also, ich hab’ mich schon gefreut“.

Die Überraschung jedenfalls war gelungen für Marlis Becker, die sich seit einem halben Jahrhundert ehrenamtlich um Senioren kümmert - ganz unspektakulär und gerade deshalb so wertvoll. Die Wengelsdorfer Ortsbürgermeisterin Sybille Reider hatte sie für die Auszeichnung mit der Ehrennadel vorgeschlagen.

„Auf dem Dorf ist das eben so, man kümmert sich“

Angefangen hatte alles, als Marlis Becker, die gebürtige Wengelsdorferin, 23 Jahre alt war. Da begann ihr Berufsleben als Erzieherin im Kindergarten der damaligen Deutschen Reichsbahn. Kollegen im kommunalen Kindergarten des Heimatortes sorgten über die Volkssolidarität für die Senioren im Dorf. Als die junge Erzieherin gefragt wurde, ob sie denn mitmachen wolle, sagte sie Ja.

Gemeinsame Nachmittage organisieren, Fahrten für die Rentner, die alltägliche Kleinarbeit, damit sich die Älteren wohlfühlen im Dorf - all das ist seitdem aus dem Leben der Marlis Becker nicht mehr wegzudenken. „Auf dem Dorf ist das eben so, man kümmert sich“, sagt sie einfach.

Ein eigener kleiner Kosmos für die Älteren

Als der gesellschaftliche Umbruch Ende 1989 auch das beschauliche Wengelsdorf erreicht hatte, standen sie bei der Weihnachtsfeier vor der Frage: Wie nun weiter? Einig waren sich alle, dass sie die Seniorenbetreuung im Dorf selbst organisieren wollen - ohne Volkssolidarität, ohne eingetragenen Verein. Und so machen sie es bis heute - eine Truppe zwischen 20 und 40 Leuten, ein eigener kleiner Kosmos für die Älteren.

Längst ist die einstige junge Erzieherin selbst Seniorin. Die gute Seele im Ort ist sie noch immer. Gehört zum fünfköpfigen Kern der Truppe, der die organisatorischen Fäden in der Hand hält. Einmal im Jahr unternehmen sie eine Tagesfahrt. Ansonsten ist der Sonntag der Seniorentag, seit Jahrzehnten schon. Einmal im Vierteljahr treffen sie sich im alten Speisesaal der ehemaligen Schule, in die Marlis Becker einst selbst eingeschult wurde.

„Ich hab’ noch immer Lust drauf“

Dann gibt es Kaffee und selbst gebackenen Kuchen und Abendbrot. Dann kommen sie zusammen, leben die Gemeinsamkeit, die manchem Senior im Alltag fehlt. Im Oktober ist das nächste Treffen geplant, und dann freuen sie sich schon auf die Weihnachtsfeier.

Schon planen sie die Treffen für das nächste Jahr. „Ich hab’ noch immer Lust drauf“, sagt Marlis Becker auf die Frage, ob sie denn ein wenig kürzer treten wolle. Einen Nachfolger hat sie schon im Blick, doch der soll langsam reichwachsen.

Wenn sie sich gerade nicht um die Senioren im Dorf kümmert, dann liest Marlis Becker gern oder arbeitet im Garten am Haus. Zusammen mit ihrem Mann reist sie auch gern. Oder sie gehen in ihrem Heimatort spazieren. „Wengelsdorf ist schön“, sagt sie und schwört auf die Ruhe an der Saale. „Es gibt viele Ecken, an denen man so richtig entschleunigen kann“, schwärmt sie von ihrem Heimatort. (mz)